Altes Handwerk: 70 Jahre Steinmetzkunst in Friedrichswalde

MEIN Joachimsthal

Altes Handwerk: 70 Jahre Steinmetzkunst in Friedrichswalde

Simone und Michael Wendt sind beide Meister ihres Fachs in einer Firma, die 1952 gegründet wurde.

Simone und Michael Wendt vor ihrem Gedenkstein in Friedrichswalde. Foto: saschu

30.01.2023

Friedrichswalde. Es ist eine Arbeit für die gedachte Ewigkeit. Steinmetze und Steinbildhauer schaffen mit ihrem Tun Bleibendes. Kein anderer Werkstoff ist so langlebig. So schwärmen Simone und Michael Wendt, beide Meister ihres Fachs in einer Firma, die seit 70 Jahren in Friedrichswalde besteht. Am 15. Dezember 1952 hat Günther Lucht den Handwerksbetrieb in der Dorfstraße 106 gegründet. Er besteht noch heute, schräg gegenüber der Kirche, vor der seit vielen Jahren das größte und schwerste Werk der Wendts steht. Der Gedenkstein anlässlich der 250-Jahrfeier des Holzschuhmacherdorfes ist ein schwedischer Gneis, wiegt 4 Tonnen und erzählt die Gründungsgeschichte. Dem Bürgermeister Bernhard Ströbele und den damaligen Gemeindevertretern gilt noch heute ihr Dank für das entgegengebrachte Vertrauen, diesen Stein so anfertigen zu dürfen. Er wurde 1998 aufgestellt.

Simone Wendt, geborene Lucht, liebt ihr Heimatdorf. Die beiden, sie ist sechzig, er einundsechzig, haben sich beim Mathematikstudium in Ilmenau kennengelernt. Aus persönlichen Gründen wechselten sie 1982 in die Erwachsenenqualifizierung zum Steinmetz. Beide besuchten innerhalb dieser Ausbildung auch die sächsische Steinmetz-Schule in Demitz-Thumitz.

Günther Lucht in der Werkstatt. Foto: repro
Günther Lucht in der Werkstatt. Foto: repro

1988 ist der Vater von Simone Wendt verstorben und ihr Sohn geboren, der Betrieb wurde von Michael übernommen. Da war die kleine Tochter drei Jahre alt. - Eine bewegte Zeit. Sie üben mit Liebe zum Material einen der ältesten handwerklichen Berufe aus. Darauf sind sie stolz. Die ältesten Steinmetzarbeiten sind Halbreliefdarstellungen an Felsgesteinen der Dordogne in Frankreich, aus der altsteinzeitlichen Kultur des Aurignaciens (zirka 40.000 Jahre alt) Sie finden unglaublich, was den „Kollegen“ vor tausenden Jahren z.B. in Ägypten, Griechenland oder Rom schon in purer Handarbeit möglich war.

Michael Wendt ist seit über 30 Jahren im Vorstand der Innung seines Fachs. Ihr dritter Angestellter ist heutzutage ein LKW mit Kran, den sie scherzhaft ,,Siegfried" nennen, weil er so stark ist. Über fünfzig Jahre war hier in der Werkstatt auf dem Hof auch Josef ,,Tino" Schweiger tätig. Der Friedrichswalder ist heute 82 Jahre alt und stand am Schrifthauerbock als eine verlässliche Größe.

Seit 2006 arbeitet das Ehepaar allein zusammen, 24 Stunden, sieben Tage lang. Sie teilen Berufung, Kenntnis Leidenschaften. und Sie sind Fans der Stadt Rom. Der Stadt der Steine. Sie lassen sich immer wieder von der Pietà, Darstellung Marias mit dem toten Christus im Schoß, im Vatikan, die Michelangelo aus einem Block Carrara-Marmor schuf, tief berühren. Zum Jubiläum im Dezember fuhren sie nach Berlin in die staatlichen Museen zu „Donatello - Erfinder der Renaissance" und ließen sich inspirieren. Beim Rückblick darf auch eine Lehre fürs Leben nicht unerwähnt bleiben, so Simone Wendt. Als ihr Vater 1988 starb, war beim VEB Naturstein Dresden kein ordentlicher Stein mehr zu haben, das schmale Kontingent, das jede Werkstatt seinerzeit zugeteilt wurde, war schon ausgeschöpft. Sie wollten warten, doch die Mutter drängte: ,,Schon wegen der Leute!" Sie entschlossen sich, einen schwarzen Granit zu nehmen, wohl wissend, dass der Vater bunte Steine liebte. ,,Sie müssen ihren Verstorbenen im Grabmal finden", so Simone Wendt. Es ist ihr Satz für die Angehörigen, die zu ihnen kommen. 2003 als die Mutter starb, haben Wendts dem Altmeister noch einmal einen neuen Stein gesetzt, natürlich einen farbigen.

Ihre Arbeit ist für den öffentlichen Raum. Sie kennen die Verantwortung ihres Handwerks. Sie haben neben den Grabsteinen für Privatpersonen viele Kriegsgräber in der Region restauriert oder auf dem jüdischen Friedhof in der Oderberger Straße in Eberswalde gearbeitet.

Wendts lieben die Arbeit auf dem Gottesacker, unter freiem Himmel, sie hören zuweilen Klassikradio beim Aufstellen der Steine und wenn dann die Sonne durch die Wolken bricht, spüren sie den Moment - Unvergänglichkeit. Sabine Schulz

MOZ.de Folgen