Die Erbauseinandersetzung unter Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen

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Die Erbauseinandersetzung unter Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen

   

Silke Schaffer-Nitschke Rechtsanwältin  

14.02.2022

Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, sei es durch ein Testament oder bei der gesetzlichen Erbfolge, so hat jeder der Miterben das Recht, die Auseinandersetzung der Gemeinschaft zu verlangen. Im Grundsatz hat die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilung in natura zu erfolgen. Problematisch wird das schon dann, wenn gemeinschaftliche Gegenstände sich nicht in gleichartige Teile zerlegen lassen. Zudem darf durch eine Zerlegung auch keine Wertminderung eintreten. Bestes Beispiel für eine unproblematische Teilbarkeit ist die Teilung von Geld. Bei Münzen sieht das schon ganz anders aus. Noch schwieriger wird es, wenn sich im Nachlass Grundstücke befinden. Können sich die Erben hier über eine Aufteilung, eventuell über einen Verkauf oder die Übernahme von Anteilen gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrages nicht einigen, so bedarf es notfalls der Teilungsversteigerung, bei anderen beweglichen Gegenständen des Zwangsverkaufs zur Herbeiführung der Teilungsreife. Das ist ein langer, auch kostspieliger Weg. Dennoch bleibt im Einzelfall keine andere Möglichkeit, die Aufhebung der Gemeinschaft zu erreichen.

Erblasser können in Testamenten durch Teilungsanordnungen genau vorgeben, wie die Teilung des Nachlasses erfolgen soll, um derartige Streitigkeiten zu vermeiden. Bei der Auseinandersetzung im Übrigen sind jedoch auch lebzeitige Zuwendungen des Erblassers mit zu berücksichtigen. Dies betrifft Vorempfänge wie Ausstattungen, übermäßige Zuschüsse, Beteiligung an Berufsausbildungskosten und Schenkungen, soweit eine Ausgleichung bei der Zuwendung angeordnet wurde. Besonders Schenkungen sind immer wieder Gegenstand von Streitigkeit bei der Auseinandersetzung. So wird schon darum gestritten, ob es sich bei den Zuwendungen tatsächlich um Schenkungen oder möglicherweise Gegenleistungen für erbrachte pflegerische Maßnahmen o. ä. handelt und ob diese später Anrechnung zu finden haben. Manch einer hat auch vergessen, dass er vom Erblasser überhaupt einmal etwas geschenkt bekommen hat. Erfahrungsgemäß haben viele Eheleute verdrängt, dass sie z. B. das hälftige Familienheim vor unzähligen Jahren einmal vom anderen Partner überschrieben bekamen.

Viele berichten erst auf Nachfrage davon, dass sie „sich haben eintragen lassen“. Dass das womöglich eine Schenkung darstellte, ist den meisten nicht bewusst, hat man doch gemeinsam in die Immobilie investiert. Erst recht nicht erinnern können sich viele Beschenkte, ob in dem dazumal geschlossenen Vertrag vereinbart wurde, dass die Zuwendung schon als vorzeitiges Erbe gelten soll. Die Verträge sind teilweise nicht einmal mehr vorhanden. Die anwaltliche Erfahrung zeigt, dass gerade diese Punkte der sorgsamen Aufarbeitung bedürfen, um den Weg aus der Gemeinschaft richtig führen zu können und eine gerechte Aufteilung ermöglicht wird.

Silke Schaffer-Nitschke
Rechtsanwältin Fachanwältin für Erbrecht

Erbrecht: Berücksichtigung von Pflicht- und Anstandsschenkungen im Pflichtteilsrecht

Pflicht- und Anstandsschenkungen nehmen auch im Pflichtteilsrecht eine Sonderstellung ein. Sie bleiben gemäß § 2330 BGB bei der Pflichtteilsergänzung grundsätzlich außer Betracht. Wie an anderer Stelle im Gesetz, wird auch hier der Umstand berücksichtigt, dass solche Schenkungen nicht aus reiner Freigiebigkeit, sondern zur Erfüllung einer Art „natürlicher Verbindlichkeit“ erfolgen. Bei der Einordnung muss zwischen Anstandsschenkungen und Schenkungen, die auf einer sittlichen Pflicht beruhen, unterschieden werden.

Anstandsschenkungen sind hierbei kleinere Zuwendungen aus besonderem Anlass, wie übliche Geschenke unter nahen Verwandten zu bestimmten Tagen oder familiären Anlässen sowie gebräuchliche Gelegenheitsgaben des täglichen Lebens (z. B. Geschenke zu Weihnachten, Geburtstag etc.). Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich noch um eine Anstandsschenkung handelt, ist insbesondere darauf abzustellen, ob eine Unterlassung des Geschenks zu einer Einbuße an Achtung und Ansehen innerhalb eines dem Schenker gleichgestellten Personenkreises führen würde. Bei außergewöhnlichen Schenkungsobjekten, wie Grundstücken, wird dies kaum anzunehmen sein.

Anders hingegen kann es sich bei Pflichtschenkungen verhalten, die ein Erblasser vorgenommen hat. Eine solche kommt in der Regel allerdings erst dann in Betracht, wenn sie in einer Weise sittlich geboten war, dass ein Unterlassen der Schenkung dem Erblasser als Verletzung der für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre. Eine solche, über eine bloße sittliche Pflichtenerfüllung hinausgehende Schenkung kann dann auch einen größeren Vermögenswert selbst von erheblichem Wert zum Gegenstand haben, u. U. selbst einen solchen, der das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen erschöpft (z. B. Übertragung eines Grundstücks an ein Kind für jahrelange Pflege oder Mitarbeit im Haushalt und im elterlichen Betrieb). Ob der Erblasser selbst auch subjektiv das Bewusstsein hatte, in sittlicher Verpflichtung oder aus Anstand heraus schenken zu wollen, soll hierbei unerheblich sein.

Rechtsanwalt Thomas Brehmel
Sozius der Rechtsanwalts- und Fachanwaltskanzlei Mauersberger & Kollegen
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