Standortwettbewerb: Von den Umbrüchen nach 1989 lernen

Zukunftszentrum Deutsche Einheit

Standortwettbewerb: Von den Umbrüchen nach 1989 lernen

Der Bund will mehr als 200 Millionen Euro in den Bau eines Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation in Ostdeutschland investieren

Das Brandenburgische Staatsorchester spielt im Rahmen der Bewerbung von Frankfurt (Oder) für das Zukunftszentrum auf der Stadtbrücke. Am 24. Februar besucht die Jury die Oderstadt. Foto: Winfried Mausolf

23.01.2023

Im Jahr 2019 setzte die damalige Bundesregierung eine Kommission zu 30 Jahren Friedliche Revolution und Deutsche Einheit ein. Ein Ergebnis des Abschlussberichtes nach einer Vielzahl von Veranstaltungen war der Vorschlag zum Bau eines Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation - mit dem Ziel, die Lebensleistung der Ostdeutschen stärker (und nicht nur an Jahrestagen) in den Fokus zu rücken und von den Umbrüchen in Deutschland und Europa nach 1989 für die Zukunft zu lernen. Eine Arbeitsgruppe erarbeitete daraufhin Eckpunkte und Kriterien, die vom Bundeskabinett im Mai 2022 beschlossen wurden. Der Standortwettbewerb unter Federführung des Ostbeauftragten der Bundesregierung begann am 1. Juli. Bis Ende September 2022 konnten sich danach Städte in Ostdeutschland bewerben.

„Zentrum soll Forum, Galerie und Institut sein.”

Geplant ist ein Neubau in herausragender Architektur mit einer Bruttogeschossfläche von etwa 27.000 Quadratmetern. Das Gebäude soll zugleich Raum für Forschung (Institut) als auch für Begegnung und Debatte (Forum) sowie Kultur (Galerie) schaffen. Vorgesehen ist, Transformationsprozesse seit den 1980er Jahren und bis in die heutige Zeit zu dokumentieren und erfahrbar zu machen, zudem aber auch Zukunftsfragen zu verhandeln und einen kritischen Austausch zur Gegenwart zu ermöglichen. Denn unsere Gesellschaft steht mit Blick auf Themen wie Digitalisierung und veränderte Arbeitswelt, Kriege in der Ukraine und anderswo, Klimawandel, demografische Entwicklung oder Globalisierung und Migration in den nächsten Jahrzehnten vor gewaltigen Umbrüchen und Transformationen. Der Forschungsbereich soll daher auch auf aktuelle Fragen reagieren können. Regional wird der Schwerpunkt auf Umbrüchen in Ostmitteleuropa liegen. Darüber hinaus ist vieles noch nicht ausformuliert. Rundgänge durch die Wendezeit mit VR-Brille sind genauso denkbar wie eine Forscherwerkstatt für Kinder.

Vom Bund gesucht wird eine von Transformationen auch geprägte, eher strukturschwache Kommune, für die das Zukunftszentrum ein starker Impulsgeber wäre. In den Bewerbungsunterlagen sollten zugleich mögliche Synergieeffekte mit anderen Institutionen in der Region dargestellt werden. Zu weiteren Punkten gehören eine gute Erreichbarkeit mit Bus, Bahn und Auto, eine Hochschule oder Berufsakademie mit sozialwissenschaftlicher Ausrichtung in der Nähe sowie die Verfügbarkeit von Übernachtungsmöglichkeiten für Besucher.

Fertigstellung bis 2028

Der Bund plant mit einer Investitionssumme von 200 bis 220 Millionen Euro für den Neubau. Hinzu kommen jährliche Betriebskosten im zweistelligen Millionenbereich. Betrieben werden soll das Zentrum vom Bund in Form einer gemeinnützigen GmbH als Trägergesellschaft. Für die Stadt, die den Zuschlag bekommt, fielen keine direkten Kosten an - sieht man von der Bereitstellung eines verfügbaren Grundstückes ab, für das von der kommunalen Verwaltung Baufreiheit geschaffen werden muss.

Demgegenüber stehen rund 180 neue, zukunftsfeste Arbeitsplätze. Der Bund plant mit bis zu 1 Million Besuchern pro Jahr. Nach der Entscheidung zum Standort (Infokasten) soll zunächst ein internationaler Architektur- und Realisierungswettbewerb ausgelobt werden. Der Zeitrahmen ist eng gestrickt. 2028 soll das Zukunftszentrum stehen und seinen Betrieb aufnehmen. thg


Jury besucht Bewerberstädte

■ Eine Jury zur Auswahl des Standortes für das Zukunftszentrum bereist aktuell die im Herbst ausgewählten Bewerberstädte und wird bis spätestens Ende Februar eine Empfehlung an die Bundesregierung für einen Standort aussprechen. Am Dienstag, 24. Januar, ist die Auswahlkommission in Frankfurt (Oder) zu Gast.

■ Vom Ostbeauftragten der Bundesregierung Carsten Schneider in die Jury für das Zukunftszentrum berufen wurden: Katrin Budde (Vorsitzende), Marianne Birthler, Dr. Marta Doehler-Behzadi, Prof. Dr. Raj Kollmorgen, Basil Kerski, Monika Lazar, Prof. Dr. Astrid Lorenz, Prof. Dr. Steffen Mau, Dr. Thomas de Maziére, Dr. Reimar Molitor, Cornelia Pieper, Matthias Platzeck, Ulrike Poppe, Prof. Dr. Gwendolyn Sasse sowie Dr. Barbara Steiner. red