Auf der Walz

TAG DES HANDWERKS

Auf der Walz

Wie aus der Zeit gefallen: Früher war es sogar mal Pflicht, heute gilt es als etwas Besonderes.

Ohne Stress und Termindruck: Wer auf der Walz ist, entschleunigt und lebt in seinem ganz eigenem Tempo. Foto: Blickfang/adobe stock.com

23.09.2024

Einfach losgehen. Völlig frei sein. Neue Orte sehen, neue Menschen kennenlernen. Neue Gefühle und erfahren. Aber natürlich auch: neue Arbeitstechniken erlernen. Und in unterschiedlichen Betrieben arbeiten. Wer auf die Walz geht, folgt einem jahrhundertealten Ritual. Abenteuer ist garantiert, eine entbehrungsreiche Zeit allerings auch.

Früher war es sogar mal Pflicht, heute gilt es als etwas Besonderes: Gesellen, die durch blühende Felder laufen oder an der Straße stehen und auf die nächste Mitfahrgelegenheit beim Trampen hoffen. Die Tippelei hat die Jahrhunderte überdauert, manchmal wirkt sie sogar ein bisschen aus der Zeit gefallen. Kein Wunder, passt die lange Wanderschaft mit ihrem ganz eigenen Tempo doch so wenig in die heutige Welt passt, die vollgestopft ist mit Schnelligkeit, Stress und Termindruck. Wer auf der Walz ist, entschleunigt und lebt in seinem ganz eigenem Tempo. Die zünftigen Gesellen bestimmen ganz alleine, ob sie an einem Platz bleiben oder lieber weiter ziehen wollen, ob sie es eilig haben oder eher ein gemäßigteres Tempo vorziehen.

Doch selbst, wer schnell sein will, ist es nicht immer. Wer weiß schon, was jeder neue Tag so bringt. Wer beim Trampen nur schwer voran kommt oder beim Wandern auf besseres Wetter warten muss, weiß: Mit dem Terminkalender lässt sich die Walz ziemlich schlecht planen.

Bevor es losgeht

Nicht jeder kann einfach so auf Wanderschaft gehen, einige Voraussetzungen müssen meistens erfüllt sein. Die Regeln unterscheiden sich von Schacht zu Schacht und als Freireisender ist es eh nochmal anders. Grundsätzlich gilt meistens: Wandergesellen dürfen maximal 30 Jahre alt, ledig, noch kinderlos und schuldenfrei sein. Weitere Voraussetzung: eine abgeschlossene Lehre, nur Gesellen können auf Wanderschaft gehen. Dazu kommt der Abstand zum Heimatort, den alle zünftigen Gesellen während der Wanderjahre wahren müssen, meist sind dies um die 50 Kilometer. Wenn es los geht mit der Walz, wird der Neuling in der Regel von einem anderen Wandersgesellen abgeholt, dieser begleitet ihn während der ersten Monate und weist ihn in das Regelwerk der Walz ein. Darunter fallen auch die zahlreichen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Walz. Dazu gehört vor allem die Ehrbarkeit, also Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Achtung vor der Ehre der Mitmenschen und Gewaltlosigkeit. Schließlich wollen die nächsten, die auf Wanderschaft sind, die gleiche Gastfreundschaft erfahren, wie die Vorgänger.

So war es früher

Das 15. Jahrhundert: Unter Adligen, Akademikern und Kaufleuten war das Reisen damals sehr verbreitet, wenn auch in viel geringerer Form als heute. Die mit Abstand größte Gruppe der Reisenden waren allerdings die zünftigen Handwerksgesellen. Ab dem 16. Jahrhundert gehörte die Wanderschaft für viele Gesellen sogar zur Pflicht. Die Zahl der Handwerker auf der Walz war dementsprechend hoch, die Tippelei etwas ganz Alltägliches. Sie konnten damals auf ein flächendeckendes Zunftnetz zurückgreifen. Die Zeit, die ein lediger Handwerker auf der Walz verbrachte, war in vielen Fällen sogar identisch mit der Zeit als Geselle. Die Wanderschaft also eine Voraussetzung, um Meister zu werden. Durch das Wandern sollten die Gesellen vor allem Baustile aus anderen Regionen erlernen, teilweise wurden sie deshalb gezielt in solche Gegenden geschickt. In einem Ratgeber aus dem Jahr 1842 steht, dass die Walz vor allem der fachlichen Ausbildung dient: der Geselle lernt neue Handgriffe, Produkte und Werkzeuge kennen und wird in für ihn bis dahin unbekannte Produktionsweisen eingeführt.In keinem anderen Land gingen so viele Gesellen auf Wanderschaft wie in Deutschland. Lediglich in Frankreich gab es die gleiche Tradition, wenn auch wesentlich schwächer ausgeprägt. www.zunft.de / cr