Und anschließend habe sich meist eine unangenehme Wolke breitgemacht, „die nur schwer aus dem 50-mal-50-Zentimer kleinen OGA-Toiletten-Fenster entwich“.
„Dennoch meinen viele, die durchgehalten haben: Im Container war es schöner“, stellte Andrea Linne schon 1995 fest - in den 30 Jahren dazwischen wurden die Erinnerungen noch mehr verklärt. „Man sah sich ständig, stolperte übereinander, redete auf dem Weg zum einzigen Klo, das im Technikcontainer versteckt war, mit den Kollegen.“
Noch enger wurde es, wenn abends die Kollegen der Gransee-Zeitung (GZ, gegründet 19. Oktober 1991) und des Ruppiner Anzeigers (RA, ab 31. Oktober 1990) einfielen. RA-Redakteur Holger Rudolph beschrieb seinen damaligen Arbeitsalltag zehn Jahre später so: „[E]s stand stets nur so ungefähr fest, wie lang jeder Artikel sein durfte. Auf Disketten gepresst, mussten die gesammelten Schreibwerke jeden Abend nach Oranienburg gefahren werden. ... Denn dort befand sich nicht nur die Mantelredaktion des „Oranienburger Generalanzeigers“ (OGA), sondern auch jene des „Ruppiner Anzeigers“ (RA). ... Immer zwei fuhren, um die Texte, aus denen erst noch der Lokalteil einer Zeitung werden sollte, in eines der Propages (Seiten-Baugeräte mit Bildschirm) einzulesen.
Da kam es dann schon mal vor, dass acht oder zehn Zeilen - manchmal auch mehr - von hinten weggekürzt werden mussten. Und obwohl die Kollegen vom OGA sicher keine Bestien waren, stand ihnen manchmal die blanke Gereiztheit ins Gesicht geschrieben. Schließlich hatten auch sie eine Zeitung zu machen. Und wenn „die Ruppis“ kamen, war das an schlimmen Tagen nervig für beide Seiten. Denn die Enge in der Redaktion, die sich samt Technik in ein paar Containern befand, wurde noch bedrückender.“
Dafür waren auch alle zur Stelle, wenn es einmal brannte - und das durchaus auch im Wortsinne. „Als im Sommer 1993 bei einem Entwicklungsautomaten ein festgefahrenes Lager zu einem Brand führte, konnten in letzter Minute in der völlig verqualmten Dunkelkammer noch alle elektrischen Anschlüsse vom Netz getrennt und eine teure Einraumkamera mit einer Plane abgedeckt werden, ehe die Feuerwehr den Raum mit einem Pulverlöscher bearbeitete“, so beschrieben es Claudia Duda und Dieter Schulz in der OGA-Sonderausgabe zum 10. Jubiläum. „Die Zeitung erschien, sogar in besonders dicker Ausgabe“, konstatierte Andrea Linne.
Als improvisationsfähig erwiesen sich die Mitarbeiter der Technik-Abteilung auch, als im Entwickler einmal ein wesentliches Zahnrad brach. Der Monteur war laut Bericht in der 5-Jahres-Sonderausgabe nicht erreichbar. "So arbeitete man denn mit Sekundenkleber und Klingeldraht: Das geborstene Teilchen wurde so geklebt, dass es wieder in die Antriebswelle des Entwicklers eingesetzt werden konnte. Siehe da, die Maschine lief fünf Tage ohne Probleme, der Monteur konnte sich Zeit lassen.“
Den Effekt all dieser Unwägbarkeiten konnte Andrea Linne schon zwei Jahre nach dem Umzug in die Lehnitzstraße beobachten: „Wenn der Strom ausfällt oder die Rechner aussteigen, löst das bei denen, die alte Containerzeiten erlebten, kaum Unruhe aus.“
eis
Meilensteine der Jahre
1991
10. April: Im Automobilwerk Eisenach rollt der letzte PKW der Marke Wartburg vom Band.
14. Mai: In seiner ersten Arbeitssitzung im Berliner Reichstagsgebäude beschließt der Deutsche Bundestag Steuererhöhungen, u.a. den Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost.
27. September: Die Märkische Oderzeitung zieht in Frankfurt (Oder) vom Hochhaus am Grenzübergang Stadtbrücke in den Kellenspring 6 um.
1992
1. Januar: Das StasiUnterlagengesetz, nach dem Opfer des DDR-Staatssicherheitsdienstes Einblick in die über sie geführten Akten nehmen können, tritt in Kraft.
13. Juli: Das Bundesverfassungsgericht weist Klagen von Vertriebenen gegen den deutsch-polnischen Grenzvertrag zurück und erklärt die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze für verfassungsgemäß.
12. November: Vor dem Berliner Landgericht beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Staats- und Parteichef der DDR, Erich Honecker, und fünf weitere SED-Politiker.