
Die Zeit rund um die Jahrtausendwende war in Brandenburg von Konsolidierungen, sozialen Herausforderungen und der Suche nach wirtschaftlicher Perspektive für das Bundesland geprägt. Die Arbeitslosigkeit lag teilweise bei über 18 Prozent. Bei der Landtagswahl 1999 wurde die SPD trotz Stimmenverlusten erneut die stärkste Partei. Manfred Stolpe wurde zum dritten Mal Ministerpräsident (ehe er 2002 zurücktrat und von Matthias Platzeck ersetzt wurde). Damals in einer Koalition mit der CDU. Die rechtsextreme DVU zog mit 5,3 Prozent ebenfalls in den Landtag ein. Die MOZ-Redaktion blickt zurück auf Gespräche mit den Spitzenpolitikern aus dieser herausfordernden Zeit.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) im Jahr 2000 zum Thema Rechtsextremismus.
Jörg Schönbohm: Die Schwierigkeit liegt darin, dass wir nach den Erfahrungen des Umbruchs wieder deutlicher sagen müssen, wo es langgeht. Mir haben Lehrer berichtet, dass sie nicht mehr wissen, wie sie unterrichten sollen: Da wird von Kuschelpädagogik geredet und von der Unmöglichkeit, überhaupt etwas zu verbieten. Hier muss mehr Klarheit rein. Das hat Bildungsminister Reiche auch schon angesprochen. Zweitens sehe ich eine Ausgrenzung gefährdeter Jugendlicher. Wir haben Sportturniere gegen rechts, Lichterketten gegen rechts...
Man muss sich überlegen, ob man nicht diejenigen, die nur in den Gruppen mitlaufen, aus dieser Ecke herausholen kann - zurück in die Gemeinschaft. Als letzten Punkt muss man darauf hinweisen, dass viele Jugendliche Ausländer ablehnen, ohne je welche kennengelernt zu haben. Wir müssen deutlich machen, dass ein Großteil unserer Arbeitsplätze vom Export abhängt, also davon, dass unsere Produkte von Ausländern gekauft werden. Auch die Investoren, die wir in Brandenburg haben, sind überwiegend Nichtdeutsche. Man muss den Jugendlichen durch praktische Beispiele die Ängste vor dem Fremden nehmen und sie als Chance begreifbar machen.
Regierungsbeauftragter für die neuen Länder, Manfred Stolpe (SPD), 2002 zu der Frage, wann der Osten endlich auf eigenen Füßen steht.
Manfred Stolpe: Unterschiede in den Lebensverhältnissen wird es immer geben. Entscheidend ist, ob die Menschen überall ihre Chance haben. Dazu muss die massive Differenzierung zwischen Ost und West eigentlich schon bis 2012 abgeschliffen sein.
CDU-Chefin Angela Merkel 2004 zu der Frage, ob Hartz IV der richtige Ansatz, um die Arbeitslosigkeit im Osten zu bekämpfen.
Angela Merkel: Hartz IV ist der richtige Ansatz, um Anreize für Arbeit zu setzen. Das betrifft das Fordern. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Hartz IV gibt keine ausreichende Antwort auf den Aspekt des Förderns, also auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Hier wird langfristig nur was draus, wenn über Ein-Euro-Jobs hinaus mit Lohnkostenzuschüssen Anreize zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt gegeben werden. Ohne dieses Instrument wird das Gesetz für den Osten wenig bringen, weil es schlicht zu wenig Jobs gibt. Sonst wird die Abwanderung nicht zu stoppen sein.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) 2004 zur Debatte, welche Versäumnisse beim Aufbau Ost passierten.
Matthias Platzeck: Man muss hier an mehreren Stellen zur Vernunft rufen. Denn die Debatte kann sonst sehr schnell in eine Kampagne umschlagen. Es gibt ja schon die ersten Zungenschläge mit dem Tenor, den Osten sich selbst zu überlassen, weil er es trotz des vielen Geldes nicht gepackt hat. Da haben einige wohl vergessen, dass wir eine fast komplette Deindustrialisierung mit dramatischen sozialen Umbrüchen innerhalb von nur zehn Jahren hinter uns haben, ein Prozess, den so kein westliches Bundesland erleben musste. Auch Bayern hat gebraucht, bis aus dem reinen Agrarland ein Hochtechnologie-Standort wurde.
iwa
Liebe Leserinnen und Leser


Die MOZ feiert in diesem Jahr ihren 35. Geburtstag. Wir nehmen dieses Jubiläum als Anlass, die Geschichte der Zeitung noch einmal Revue passieren zu lassen. Im fünften Teil dieser Serie, die monatlich in der Tageszeitung erscheint, blicken wir zurück auf die Jahre 1998 bis 2004. Viel Spaß beim Lesen!