Diese Nacht vom 20. auf den 21. März 1993 in Düsseldorf wird den Box-Fans und wird vor allem Henry Maske für immer in Erinnerung bleiben. Mit einem Sieg über „Prince“ Charles Williams holt sich der Frankfurter seinen ersten WM-Titel bei den Profis. 32 Jahre ist das jetzt her.
Der neue Tag ist gerade mal 44 Minuten alt. 7000 Zuschauer in der traditionsreichen Philipshalle von Düsseldorf, darunter 420 Fans, die den weiten Weg von der Oder an den Rhein nicht scheuten, johlen, toben und schreien aus vollen Kehlen: „Henry, Henry“. Fast fünf Millionen an den Fernsehgeräten können es kaum erwarten. Dann endlich verkündet der Ringsprecher das Urteil, das schon in den ersten zwei Worten alles verrät: „Neuer Weltmeister ...“
Maske und sein Trainer Manfred Wolke liegen sich in den Armen. Deutschland hat wieder einen Box-Champion. Einen, den man vorzeigen kann.
Einen würdigen Nachfolger des großen Max Schmeling. Henry Maske, der Mann aus Frankfurt (Oder), einst Welt- und Europameister, Weltcupgewinner und Olympiasieger bei den Amateuren, hat die mitternächtliche verwandelt. Stunde am Rhein in eine Sternstunde für das jahrelang dahin dümpelnde deutsche Berufsboxen „Prince“ Charles Williams, der Titelverteidiger aus den USA und bis dahin uneingeschränkte Herrscher im Halbschwergewicht, wird vom damals 29-jährigen Maske vom Thron gestoßen. In zwölf Runden mit Leidenschaft, Kraft und Geist ausgeboxt. So wie es ihn Manfred Wolke gelehrt hat. Zum ersten Mal ist ein Faustkämpfer aus der früheren DDR Profi-Weltmeister. In seiner Heimatstadt an der Oder zünden sie ein Freudenfeuerwerk. So als wollen sie dreieinhalb Jahre nach der Wende sagen: „Seht her, hier ist einer aus dem Osten, der es zu etwas Großem gebracht hat!“ Die Märkische Oderzeitung erscheint erstmals am Sonntag mit einem Extrablatt. Später wird es heißen, Maske, Wolke und auch Axel Schulz haben das deutsche aus der Profiboxen Schmuddelecke geholt. Einem Sport zu Glanz verholfen, der zuvor vor allem mit schweren Jungs, leichten Mädchen und Kriminalität in Verbindung gebracht wurde. Durch das Trio von der Oder wurde Boxen plötzlich „,in“ in der feinen Gesellschaft.
Maske wird fortan mit dem Image des sauberen Boxers ausgestattet, des Gentleman im Ring. Die bunten Blätter reißen sich um ihn, er wird zu einer Sport-Ikone in Deutschland. Profiboxen wird durch ihn zu einem gesellschaftlichen Ereignis.
Für Maske steht fest:„Der Kampf gegen Williams war der wichtigste meiner Karriere. Denn in dieser Nacht von Düsseldorf wurden viele Fragen beantwortet.“ Soll heißen: Der zuvor von vielen Seiten belächelte und sogar als„boxende Schlaftablette“ bezeichnete Profi hatte es allen Kritikern gezeigt. Er war nicht mehr nur ein braver Fighter, der seine sportliche Arbeit ablieferte. Jetzt war er der Champ. „Mit diesem Sieg hatte ich den Zenit erreicht. Alles andere war Zugabe“, bekennt Maske im Abstand der Jahre.
Elfmal steigt er danach zu einer weiteren Titelverteidigung in den Box-Ring. Die Gegner reichen allerdings kaum noch an die Klasse von Charles Williams heran. Nur das hochstilisierte erste von zwei Duellen mit Graciano Rocchigiani erreicht in puncto Spannung und Dramatik noch einmal einen Höhepunkt.„Da musste ich an meine Grenzen gehen“, gibt Maske nach heute zu.
Liebe Leserinnen und Leser
Die MOZ feiert in diesem Jahr ihren 35. Geburtstag. Wir nehmen dieses Jubiläum als Anlass, die Geschichte der Zeitung noch einmal Revue passieren zu lassen. Im dritten Teil dieser Serie, die monatlich in der Tageszeitung erscheint, blicken wir zurück auf die Jahre 1993 und 1994. Viel Spaß beim Lesen!
Meilensteine der Jahre
1993 13. Januar: Der todkranke einstige SED-Chef Erich Honecker wird aus dem Gefängnis entlassen. Er reist nach Chile aus.
11. Februar: Die Sparkasse im ehemaligen Frankfurter Halbleiterwerk wird überfallen. 100 000 D-Mark werden erbeutet.