Siehdichum. Mit dem im Oktober 2020 eröffneten Ruheforst Schlaubetal hat die Stiftung Stift Neuzelle die Möglichkeit für eine ganz besondere Bestattungsform geschaffen. Hier werden Verstorbene mitten im Wald, unter Bäumen oder Findlingen zur letzten Ruhe gebettet - eine Alternative zur Beisetzung auf dem Friedhof.
„Wenn ich über einen Friedhof gehe, habe ich einen Kloß im Hals", beschreibt Boris Schnittker seine Erfahrung. Er ist der Forstbetriebsleiter bei der Stiftung Stift Neuzelle und somit auch für den Ruheforst Schlaubetal verantwortlich. ,,Hier rauscht der Wind durch die Blätter der Bäume, die Vögel zwitschern. Es ist ein Konzert", sagt er über den Ruheforst. Die Atmosphäre sei sehr besonders, keinesfalls beklemmend. Im Gegenteil. Der Ruheforst Schlaubetal ist eine Naturbegräbnisstätte, also nicht nur ein Friedhof, sondern vor allem auch ein Lebensraum.

Die Waldfläche, die die Stiftung Stift Neuzelle für den Ruheforst ausgewählt hat, befindet sich an einer der schönsten Stellen im Schlaubetal 300 Meter nördlich vom Forsthaus Siehdichum, direkt am Hammersee, der Schlaubetal-Wanderweg führt hier direkt vorbei. ,,Die Lage ist wirklich sehr idyllisch und reizvoll", sagt Boris Schnittker. Es handelt sich um einen Wald mit 110-jährigem Eichenbestand. Traubeneichen machen rund 90 Prozent der Bäume aus. Auch ein paar Kiefern und Buchen stehen hier. Und natürlich leben hier auch Rotwild, Schwarzwild, Eichhörnchen, Mäuse und viele Vögel wie Meisen und Käuze, die in den Bäumen brüten. Und auch der Wolf schaut hier hin und wieder vorbei.
Tatsächlich drehen sich die Fragen der Interessierten, wenn sie den Ruheforst besichtigen, häufig um die Natur, berichtet Boris Schnittker. ,,Die Menschen fragen nach den Pflanzen und Tieren."
Diese die letzte Ruhestätte umgebende Lebendigkeit scheint den Reiz dieser Bestattungsform auszumachen. „Die Nachfrage nach Bestattungen im Ruheforst ist sehr hoch", sagt der Forstbetriebsleiter. Man sei bereits bei einer Belegungsrate von 30 Prozent angekommen. Diese hatte man erst in fünf Jahren erwartet. Zwischen zehn und 15 Bestattungen - ausschließlich Urnenbeisetzungen werden hier inzwischen pro Monat durchgeführt. Platz für weitere Ruhebiotope - so im werden die Grabstellen Ruheforst bezeichnet - sei aber ausreichend vorhanden, versichert Boris Schnittker. Denn von insgesamt 24 Hektar Waldfläche seien gerade einmal 3 Hektar für den Ruheforst aktiviert worden.
Ruhebiotope sind durch ein Naturdenkmal gekennzeichnet. Zu 95 Prozent ist das ein Baum. Alternativ stehen einige Findlinge oder Wurzelstöcke zur Verfügung. Ein Ruhebiotop umfasst bis zu zwölf Grabstätten, entweder als Familienbiotop oder als Gemeinschaftsbiotop.
Die Liegestelle kann zu Lebzeiten ausgewählt werden. Dazu wird eine Besichtigung mit den Förstern der Stiftung Stift Neuzelle durchgeführt. ,,Besonders interessant sind Charakterbäume, die zum Beispiel starkastig sind oder eine auffallende Gabelung oder eine Krümmung beziehungsweise einen Knick aufweisen", hat Boris Schnittker beobachtet.
Die Menschen, die für ihre Bestattung vorsorgen möchten und sich den Ruheforst ansehen kommen, sind in der Regel zwischen 60 und 70 Jahre alt, manche auch jünger. Anne Bennewitz