Aus unserer täglichen Praxis können wir sagen, dass – auch aber nicht nur – bei Patchworkfamilien Erblasser häufig versuchen, ein oder mehrere Kinder möglichst vom Nachlass auszuschließen. Dann werden regelmäßig die wesentlichen Vermögenswerte schon zu Lebzeiten weggegeben, mal mit mal ohne Gegenleistung. Und dann hat das enterbte Kind zwar einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, aber es ist nichts mehr da, woraus der bedient werden könnte. In diesem Szenario müssen zwei wichtige Vorschriften beachtet werden. Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt (z.B. als Ehegatte), kann er nach § 2328 BGB mindestens teilweise die Pflichtteilsergänzung verweigern. Dann hat wiederum der Enterbte nach § 2329 BGB wegen des Fehlbetrages die Möglichkeit, gegen den Beschenkten vorzugehen und die Herausgabe des Geschenks zur Befriedigung seines Anspruches zu verlangen.
Wichtig ist, dass der Anspruch nach § 2329 zwar auch wie der Pflichtteilsanspruch gegen den Erben nach drei Jahren verjährt, diese Frist aber stichtagsgenau mit dem Erbfall zu laufen beginnt, und zwar selbst dann, wenn der Enterbte noch gar nichts von seiner Enterbung oder dem Geschenk weiß. Wenn sich dann der Enterbte mit der Verfolgung seiner Ansprüche Zeit lässt und der Erbe die Auskunftserteilung in die Länge zieht, ist die Gefahr groß, dass der Anspruch gegen den Beschenkten verjährt. Geringer ist dieses Risiko, wenn der Erbe gleichzeitig auch der Beschenkte ist: In diesem Fall kann eine auf Zahlung gerichtete Klage gegen den Erben in eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Geschenk umgestellt werden.
Dann muss der beschenkte Erbe sein Geschenk einsetzen, um dem enterbten Pflichtteilsberechtigten eine Mindestteilhabe am Nachlass zu ermöglichen.
Agnes D. Wendelmuth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Familienrecht
Deutsche Topanwältin laut FOCUS-Listen 2013 bis 2024.
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