Was der Erblasser sagen wollte

RECHT & STEUERN

Was der Erblasser sagen wollte

Gedanken zur Testamentsauslegung: Rechtsanwältin Agnes D. Wendelmuth ist Fachanwältin für Erb- und Familienrecht und bietet individuelle Beratung.

28.07.2024

In der anwaltlichen Praxis erleben wir immer wieder, dass Erblasser bei der Gestaltung ihres Testaments den Begünstigten einzelne Nachlassgegenstände oder Geldbeträge „vererben“. Dies ist juristisch gesehen zumindest unpräzise, weil eine Erbeneinsetzung immer den kompletten Nachlass umfasst – wenn auch möglicherweise nur zu einem (Miterben-)Anteil. 

Bei der Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes, wie z.B. einer Immobilie oder einem bestimmten Konto, handelt es sich um ein sogenanntes Vermächtnis. Ein solches kann auch einem Erben „on top“, d.h. ohne Anrechnung auf seinen Erbteil zugewandt werden, dann handelt es sich um ein Vorausvermächtnis. 

Setzt der Erblasser mehrere Erben ein und regelt er, wie der Nachlass unter Einhaltung der Erbquoten verteilt werden soll, spricht man von einer Teilungsanordnung. Wenn hier ein Erbe durch die Verteilung des Nachlasses wie vom Erblasser angeordnet mehr erhielte, als ihm aufgrund seiner Erbquote zusteht, muss er einen Ausgleich an die Miterben zahlen, damit unterm Strich jeder den ihm zustehenden Anteil erhalten hat. 

Im Streitfall muss also das Testament dahingehend ausgelegt werden, ob der Erblasser mit seiner Formulierung ein (Voraus-)Vermächtnis, eine Teilungsanordnung oder eine Erbeinsetzung wollte. Hierbei ist auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzustellen und darauf, wie groß der Anteil des zugewandten Gegenstandes am Gesamtnachlass war, und welche Vorstellungen der Erblasser von der weiteren Entwicklung seines Vermögens hatte oder gehabt haben dürfte, sowie, wie sich sein Verhältnis zu den Begünstigten gestaltete. 

Agnes D. Wendelmuth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Familienrecht
Deutsche Topanwältin laut FOCUS-Listen 2013, 2016 bis 2023
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