Mit Beschluss vom 15.2.2024 zum AZ 34 Wx 36/24 e, hatte das OLG München den Umfang des Einsichtsrechts eines Pflichtteilsberechtigten zu prüfen.
Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen setzt voraus, dass man Kenntnis vom Nachlassbestand und von Vorschenkungen hat. Diesbezüglich stehen dem Pflichtteilsberechtigten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche auch in Bezug auf wertvolle Immobilien gegen die Erben zu. Eine Möglichkeit bietet hier ein Auskunftsersuchen an das Grundbuchamt.
Im zu entscheidenden Fall beabsichtigte ein Mann seinen Pflichtteil nach seiner Mutter gelten zu machen. Um den Nachlassbestand zum Todestag und etwaige Vorschenkungen in Erfahrung bringen zu können, fordert er vom Grundbuchamt neben einem Grundbuchauszug auch eine Kopie des Übertragungsvertrages an seinen Bruder und weitere frühere Übertragungsverträge, den Kaufvertrag an die Erblasserin und die zugehörige Kostenrechnung in Bezug auf dieses Grundstück an. Bis auf die Kostenrechnung erhält er die begehrte Einsicht. Bezüglich der versagten Einsicht in die Kostenrechnung solle er sich an die Erben halten, da er gegen diese die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche habe.
Das OLG München sprach dem Mann letztlich das Recht auf Einsicht in die begehrte Kostenrechnung zu. Zur Begründung führte es an, dass ein Einsichtsrecht nach dem Gesetz in das Grundbuch und die Verträge, die sich beim Grundbuchamt befinden, jedem gestattet ist, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Es können dann auch Kopien verlangt werden. Hingegen ausgeschlossen sind die Befriedigung reiner Neugier oder die Verfolgung unbefugter Zwecke. Zudem muss auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen Rücksicht genommen werden. Die Informationseinholung aus sachlichen Gründen, die für ein künftiges Handeln erheblich erscheint, stellt ein berechtigtes Interesse dar. Das hier vorhandene wirtschaftliche Interesse gilt eben auch für die Anfertigung einer Kopie der Kostenrechnung, da der Pflichtteilsberechtigte ein nachvollziehbares Interesse daran hat, den Wert des Grundstücks zu erfahren, um die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ermitteln zu können. Auch wenn der der Kostenrechnung zugrundeliegende Gegenstandswert nicht verbindlich sei, ist dies nicht hinderlich, da der Pflichtteilsberechtigte zumindest darüber einen tragfähigen Anhaltspunkt erhalte.
Als Absolvent des Fachanwaltslehrgangs für Erbrecht ist Rechtsanwalt Seehaus schwerpunktmäßig auf den Gebieten des Erb-, Familien- und Grundstücksrechts sowie des Straf-, Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrechts tätig. Sie erreichen die Kanzlei Seehaus & Schulze im Büro in Werder Mo-Do. von 8-18 Uhr und Fr. 8-15 Uhr unter Tel. 03327/569 511 und im Büro in Bad Belzig Mo-Do. von 9-18Uhr und Fr. 9-15 Uhr unter Tel. 033841/6020. Termine können auch außerhalb der Sprechzeiten vereinbart werden.
Aktuelle Entscheidungen der Familiengerichte
In Fortsetzung des vorangegangenen Rechtsbeitrages, in dem bereits einige familiengerichtliche Rechtsfälle dargelegt wurden, werden nachfolgend weitere interessante Sachverhalte und deren gerichtliche Lösungen dargestellt:
Unterhaltsvorschuss bei erweitertem Umgang des anderen Elternteils?
Ein alleinerziehender Elternteil kann für den Fall, dass der nicht überwiegend betreuende Elternteil keinen oder nur einen geringfügigen Kindesunterhalt zahlt, Unterhaltsvorschuss beantragen. Doch besteht der Anspruch auch, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil mehr als den üblichen Umgang alle 14 Tage am Wochenende ausübt? Darüber hatte das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden, nachdem die Vorinstanzen einen solchen Anspruch der Mutter abgelehnt hatten, weil der Vater das Kind vierzehntägig von Mittwoch bis Montag betreute. Nach Auffassung der Richter beim Bundesverwaltungsgericht kann Unterhaltsvorschuss von einem Elternteil beansprucht werden, solange dessen Betreuungsanteil bei mehr als 60 % liegt.
Der Unterhaltsvorschuss errechnet sich aus dem Mindestunterhalt der Unterhaltstabelle abzüglich des vollen Kindergeldes. Der Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil beträgt hingegen in der Regel mindestens den Mindestunterhalt abzüglich hälftigem Kindergeldanteil. Demnach decken die staatlichen Vorschussleistungen in der Regel nicht den regulären Unterhaltsbedarf.
Es lohnt daher immer, die tatsächlichen Ansprüche prüfen zu lassen.
Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei erheblichem Vermögen?
Sofern die Ehe länger als drei Jahre dauerte und der Versorgungsausgleich durch die Ehegatten nicht ausgeschlossen wurde, hat der Richter im Scheidungsverfahren die von beiden Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Rentenanrechte (gesetzliche, private, betriebliche) hälftig auszugleichen.
Ein solche Halbteilung der rentenrechtlichen Versorgungsanrechte kann nach § 27 VersAusglG unbillig sein. Von einer solchen Unbilligkeit ging man bei folgender Sachlage aus: Der Ehemann hatte erhebliche Rentenanrechte von über 3.500,00 EUR monatliche Rente erworben. Die Ehefrau hatte wesentlich geringere eigene Anrechte, jedoch mehrere Millionen geerbt, vom Ehemann einen Zugewinn von 300.000,00 EUR und einen Immobilienanteil erhalten sowie Mieteinnahmen von 16.500,00 EUR monatlich. Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht lehnten den Versorgungsausgleich wegen Unbilligkeit ab, weil die Ehefrau auf die Anrechte des Mannes nicht angewiesen sei. Der BGH verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das OLG zurück, weil die Vorentscheidungen nur die Einkommens- und Vermögenslage der Ehefrau betrachteten, nicht jedoch die wirtschaftliche Lage des Mannes. Es muss geprüft werden, ob der Ehemann seine vollständigen Anrechte zur Alterssicherung benötige.
Doreen Hanke, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht