Akten einsehen, an Verhandlungen teilnehmen, Fragen an Zeugen stellen, ein Strafmaß festsetzen: Als Schöffe können diese Aufgaben plötzlich zum Alltag gehören. Während sich viele freiwillig als ehrenamtliche Richter bewerben, werden andere dazu verpflichtet.
Zum 1. Januar 2024 beginnt die nächste Periode, die bis Ende 2028 dauert. 2023 ist damit Jahr der Schöffenwahl.
Die Berufung zum Schöffen erfolgt grundsätzlich auf ehrenamtlicher Basis. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) schreibt den Verfahrensablauf detailliert vor. Auf Grundlage der eingegangenen Bewerbungen erstellen die jeweiligen Kommunen ihre Vorschlagslisten für potenzielle Laienrichter auf. Anschließend legen sie die erstellten Listen den Amtsgerichten zur Wahl vor.
Für den Fall, dass sich nicht genügend Bewerber finden, können Gemeinden auf geeignete Personen zugehen. Hier ist eine Auswahl nach dem Zufallsprinzip (etwa über die Melderegister) zulässig. Individuelle Ausschlussgründe sind aber zu berücksichtigen.
Gibt es keine Hindernisse, ist jeder deutsche Staatsbürger verpflichtet, das ihm vorgeschlagene Amt anzunehmen. Michael Schmädecke, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung der Schöffen (DVS) sagt, dass derartige Zufallsverpflichtungen eher Ausnahme als Regel sind. Die meisten Kommunen würden genügend Bewerber finden und hätten darüber kein Interesse an Laienrichtern, die ihr Ehrenamt mit Widerwillen ausführen.
Richter sind bei ihren Entscheidungen unabhängig und nur an geltende Gesetze gebunden. Außenstehende nehmen Gerichte dabei seit jeher als geschlossene und wenig durchsichtige Institutionen wahr. Das Schöffenamt soll dazu dienen, Ansehen und Bürgernähe der Rechtsprechung zu fördern. Gleichzeitig ermöglicht es, andere als die rein juristische Perspektiven der hauptamtlichen Richter in den Urteilsspruch einfließen zu lassen.
Michael Bieber vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz (StMJ) betont dabei die Bedeutung nichtjuristischer Wertungen in der Hauptverhandlung. Besonders wichtig sei daher eine gleichmäßige Verteilung von Alters- und Berufsgruppen innerhalb der Schöffen. Juristische Laien haben regelmäßig den sprichwörtlichen «Blick über den Tellerrand hinaus» und können erheblich zum gesellschaftlichen Verständnis für gerichtliche Entscheidungen beitragen.
Außerdem stellt Bieber klar, dass alle am Verfahren beteiligten (Laien-)Richter gleiche Stimmrechte haben. Besteht die Kammer am Landgericht beispielsweise aus einem haupt- und zwei ehrenamtlichen Richtern, können Letztere Ersteren überstimmen.
Kommt es zu einer Zufallsverpflichtung, was nach Angaben des DVS vor allem in Großstädten mit niedrigen Bewerberzahlen der Fall ist, gibt es unterschiedliche Gründe, aus denen die Berufung abgelehnt werden kann. „Mögliche Hinderungsgründe werden zur Vermeidung zusätzlichen Aufwandes regelmäßig bereits im Bewerbungsverfahren abgefragt“, heißt es vom DVS. Welche Ablehnungsgründe möglich sind, zeigt das Gerichtsverfassungsgesetz auf.
Die Aussicht auf Streichung von der Schöffenliste stehen aber in der Regel schlecht. Die staatsbürgerliche Pflicht zum Ehrenamt überschattet persönliche Hinderungsgründe wie fehlende Motivation. Vielmehr sind die Befreiungen gesetzlich oder in landesspezifischen Verordnungen geregelt.
So schließen etwa gesundheitliche Aspekte, politische Stellungen (etwa Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag oder einem Landtag) und im Einzelfall zu prüfende, besondere Härten eine Berufung zur Schöffin oder zum Schöffen aus. Auch Angehörige bestimmter Berufsgruppen, etwa Polizisten, Hebammen oder Ärzte können gar nicht erst berufen werden, mindestens aber einem erhaltenen Verpflichtungsbescheid widersprechen.
Wer bereits in zwei aufeinanderfolgenden Wahlperioden als Schöffin oder Schöffe tätig war, darf eine erneute Berufung ebenfalls ablehnen. Selbiges gilt für Menschen, die das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht oder das 70. Lebensjahr bereits vollendet haben. Das Schöffenamt ist eine grundgesetzliche Bürgerpflicht, die auch mit Bürgerrechten einhergeht. Hierzu gehört insbesondere der Kündigungsschutz am Arbeitsplatz des Schöffen. Arbeitgeber sind verpflichtet, Laienrichter für die notwendige Dauer von der Arbeitsleistung ohne Anrechnung auf Urlaubstage, Überstunden oder mit Verpflichtung zur Nacharbeit freizustellen.
Arbeitnehmer verlieren insoweit den Anspruch auf Lohn, erhalten aber eine Entschädigung aus der Staatskasse. Michael Schmädeckes Einschätzung nach machen die teils niedrigen Vergütungssätze das Schöffenamt aber gerade für Berufstätige mit überdurchschnittlichem Einkommen unattraktiv. Außerdem sind Entschädigungen für Laienrichter mit Ausnahme der Fahrtkosten- und Zeitentschädigung steuer- sowie sozialabgabenpflichtig. dpa