In Rhinow trudeln am Ostersonntag wieder die Eier. Da hier erst nach der Jahrtausendwende aufgekommen, kann von langer Tradition bzw. Brauchtumspflege keine Rede sein. Wie bei so vielen Bräuchen im Jahreskreislauf ist nicht wirklich klar, woher das Eiertrudeln rührt bzw. wer es erfunden hat. Es hat aber den Anschein, als hätten die slawischen Bewohner Brandenburgs und Sachsens eine besondere Beziehung zum Osterei entwickelt.
Domowina heißt der Dachverband der Sorben bzw. Wenden in Niederlausitz (Brandenburg) und Oberlausitz (Sachsen), die ihre Sprache, Bräuche und Lebensweisen bis in die Gegenwart hinein größtenteils bewahren konnten. Auf www.domowina.de findet sich eine bebilderte PDF-Datei mit dem Titel „Ostern bei den Sorben“. Und aus dieser wird klar, dass dort Osterwasser mehr als Schnaps ist und rund ums Ei ein richtiger Kult besteht. Gefärbte Eier im Supermarkt zu kaufen, dürfte für slawische Bewohner der Lausitz einem blasphemischen Akt gleichkommen. Traditionell stellen dortige Ostereier wahre Kunstwerke dar. Laut Angaben in der Datei auf www.domowina.de gibt es seit etwa 60 Jahren sogar einen Wettbewerb ums schönste Osterei. Besonderes Erlebnis seien Ostereiermärkte: „In der gesamten Lausitz kann man, genauso wie in sorbischen Museen, Heimatstuben oder Touristinformationen Volkskünstlern bei der Arbeit zusehen.“
Unter dem Stichwort „Walkowanje“ wird über das Waleien berichtet. „Das Ei galt ursprünglich als Fruchtbarkeitssymbol. Die Menschen glaubten, das Gedeihen und Unter dem Stichwort „Walkowanje“ wird über das Waleien berichtet. „Das Ei galt ursprünglich als Fruchtbarkeitssymbol. Die Menschen glaubten, das Gedeihen und Wachsen der Saaten zu fördern, indem sie Eier über Wiesen und Flure rollten. So gingen einst Kinder mit ihren geschenkten Ostereiern zum Ostereirollen, Waleien genannt“, wie es heißt. Dabei ließen sie die Ostereier über eine natürliche Bahn nacheinander hinabrollen und versuchten damit, andere zu treffen. Das kommt wohl auch Rhinowern bekannt vor. Denken sie indes an Osterwasser, haben sie womöglich einen starken Schnaps im Sinn. Bei den Sorben bzw. Wenden waren es junge, unverheiratete Mädchen in ihren Trachten, die einst im Morgengrauen des Ostersonntags zu einem fließenden Gewässer oder einer Quelle liefen, um daraus Osterwasser zu schöpfen. „Wichtig war, dass das Wasser in östliche Richtung, also des Sonnenaufgangs, floss. Es sollte Kraft und Schönheit verleihen und Krankheiten besiegen“, so die Erklärung zum Osterwasser (Jutrowna woda).
Einen slawischen Stempel hatte auch das westliche Havelland etwa ab dem 6./7. Jahrhundert aufgedrückt bekommen. Die systematische Christianisierung setzte ab Mitte des 12. Jahrhunderts ein. Wenn also am Ostersonntag ab 15.00 die Eier vom Rhinower Vogelberg trudeln – dazu lädt der örtliche Heimatverein ein –, könnte das gute Gelegenheit sein, sich mal mit sorbisch-wendischer Frühlingskultur zu beschäftigen. Mit „Jutrowny wohen“ ist übrigens Osterfeuer gemeint.
Es gibt sogar Osterreiten, Osterprozessionen und Oster-Patengeschenke. Das Ostersingen junger Mädchen war ein Brauch, der bis in die 1950er Jahre gepflegt worden sein soll. „Sein Niedergang war vor allem die Folge der Industrialisierung der Lausitz durch den Braunkohlenbergbau und geburtenschwacher Jahrgänge“, wie es über das „Jutrowne sprewanje“ heißt.
rez