Mit dem heutigen Beitrag möchte die Verfasserin auf einzelne in den vergangenen Jahren erlassene bedeutende Entscheidungen im Zusammenhang mit der Abwicklung von Erbschaften eingehen. Die Urteile verdeutlichen einmal mehr, wie komplex das Erbrecht ist.Wussten Sie, dass in dem Fall, dass ein Miterbe eine zum Nachlass gehörende Immobilie allein nutzt, nicht ohne Weiteres an andere Miterben eine Nutzungsentschädigung zu zahlen hat? Voraussetzung hierfür ein sogenanntes Neuregelungsverlangen, denn Miterben bestimmen gemeinsam über die Verwaltung und Nutzung eines gemeinsamen Hauses durch sogenannten Mehrheitsbeschluss. Liegt ein solcher nicht vor, ist Zahlung nicht zu leisten. Hat ein Miterbe in einer Erbengemeinschaft eine Stimmenmehrheit, so kann er einen derartigen Beschluss selbst fassen (OLG Rostock, Urteil vom 19.03.2018, 3 U 67/17).Wussten Sie, dass Kinder, die ihre Eltern pflegen und somit einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass das Vermögen der Eltern dadurch nicht nur geschont, sondern u. U. sogar vermehrt wird, gemäß § 2057a BGB im Erbfall bei der Erbauseinandersetzung eine Ausgleichsforderung gegen den Nachlass haben? Diese kann im Einzelfall, wenn die Pflege über Jahre erfolgt, auch gut einen fünfstelligen Betrag erreichen (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.02.2020, 13 U 31/18).Wussten Sie, dass Grabpflegekosten bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen sind? Das war viele Jahre streitig. Grabpflegekosten können richtig hoch sein, insbesondere dann, wenn mehrjährige Verträge abgeschlossen werden. Sie belasten den Nachlass massiv. Den Pflichtteilsberechtigten braucht dies jedoch nicht zu interessieren. Für seine Ansprüche sind neben anderen Verbindlichkeiten nur die Kosten der eigentlichen Bestattung in Abzug zu bringen (BGH, Urteil vom 26.05.2021, 4 ZR 174/20).Wussten Sie, dass Sie als Miterbe einen Anspruch auf Grundbucheinsicht haben, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der oder die Erblasser zu Lebzeiten Grundstücksübertragungen vorgenommen haben und diese zur Schmälerung des Nachlasses führten? Häufig ist in derartigen Verträgen geregelt, dass die Übertragung „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ oder „unter Anrechnung auf Pflichtteils- sowie Pflichtteilsansprüche“ erfolgt. Solche Klauseln geraten schnell in Vergessenheit und Beschenkte weigern sich häufig, anderen Miterben die Verträge vorzulegen. Dieses Problem kann durch eigene Einsichtnahme ins Grundbuch umgangen werden (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.06.2019, 1 W 41/19). Silke Schaffer-Nitschke Fachanwältin für ErbrechtDie „Brandenburger Erbrechtsabende“ finden wieder statt, und zwar am 02.03.2022 um 18.00 Uhr im Lighthouse (Bahnhofspassage 4, 14776 Brandenburg a. d. H.) zum Thema „Wenn ein Mensch gestorben ist – vom Umgang mit dem Erbe und dessen Abwicklung.“ Die Veranstaltung ist kostenlos. Anmeldung unter 03381/22 72 99 ist erforderlich.
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Erbrecht: Böswillige Schenkungen
Wer sich durch ein gemeinschaftliches Testament oder auch einen Erbvertrag zu Lebzeiten in seiner Verfügungsfreiheit über sein Vermögen rechtlich gebunden hat, kann dennoch grundsätzlich zu Lebzeiten über dieses Vermögen verfügen. Er kann es verkaufen, verbrauchen und im Prinzip auch verschenken. Für Schenkungen gibt es aber Einschränkungen. Dies hat den folgenden Hintergrund: Demjenigen, der später seine Meinung ändert und das gemeinschaftliche Testament oder den Erbvertrag am liebsten ungeschehen machen möchte, sind hierfür durchaus Grenzen gesetzt. Wer z. B. in der Absicht, einen im Erbvertrag oder in einem gemeinschaftlichen Testament bedachten Erben in seinen Rechten dadurch beeinträchtigen will, indem er anderen eine Schenkung zukommen lässt, muss damit rechnen, dass der oder die Beschenkte das Geschenk nach dem Tod des Erblassers an den im Erbvertrag oder im gemeinschaftlichen Testament bedachten Erben herausgeben muss. In diesen Fällen spricht man von einer „böswilligen Schenkung“.
Eine Schenkung wird insbesondere immer dann als böswillig angesehen, wenn der Erblasser sie deshalb vollzogen hat, weil er inzwischen seine Gründe für die Erbeinsetzung im Erbvertrag oder im gemeinschaftlichen Testament anders einschätzt und beispielsweise zu der Einsicht gelangt, dass der Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament ungerecht sei oder ihn bzw. andere sehr benachteiligen würde.
Rückgabepflichtig ist der oder die Beschenkte stets auch dann, wenn er oder sie überhaupt nicht wusste, dass der oder die Verstorbene durch einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament gebunden war. Wer ein derartiges „böswilliges Geschenk“ zurückfordern will, muss allerdings beweisen können, dass der oder die Verstorbene tatsächlich böswillig gehandelt hat. Es müssen daher Umstände dargelegt werden können, die darauf schließen lassen, dass der oder die Verstorbene den Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament mit der darin enthaltenen Bindungswirkung aushöhlen wollte.
Rechtsanwalt Thomas Brehmel, Sozius der Rechtsanwaltsund Fachanwaltskanzlei Mauersberger & Kollegen, Bahnhofstraße 52, 14612 Falkensee, Tel. 03322-24 26 87