Strategien zur Pflichtteilsvermeidung

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Strategien zur Pflichtteilsvermeidung

Wenn schon nicht nichts, dann wenigstens weniger

28.08.2022

Menschen wollen frei darüber entscheiden, was nach ihrem Ableben mit ihrem Vermögen passiert. Dies können sie mit einem Testament regeln. Der Gesetzgeber sichert allerdings einem geregelten Personenkreis eine Mindesteilhabe: Der Ehegatte, die Kinder und - soweit solche nicht vorhanden sind - die Eltern des Erblassers sollen nicht komplett leerausgehen können. Der Pflichtteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist nach gerichtlicher Überprüfung mit dem Grundgesetz vereinbar und steht der Testierfreiheit nicht entgegen. Dann bleibt dem Erblasser nur, die gesetzliche Erbquote und/oder den Wert seines Vermögens zu verringern.

Zur Verringerung der Erbquote kann etwa der Lebensgefährte geehelicht oder ein Stiefkind adoptiert werden. Wenn Eheleute in Gütertrennung leben, kann auch ein Wechsel in die Zugewinngemeinschaft sinnvoll sein.

Zur Beschränkung des eigenen Vermögens sollte zunächst bedacht werden, dass der Erblasser von seinem Ehegatten nicht als Vollerbe eingesetzt wird und hierdurch von diesem weiteres Vermögen erwirbt. Hier ist u.U. eine Vor-/Nacherbeneinsetzung sinnvoller. Wenn Vermögen übertragen wird, ist überdies zu bedenken, dass Schenkungen Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen, wenn der Erbfall innerhalb von 10 Jahren eintritt. Selbst von dieser 10-Jahres-Frist gibt es zahlreiche Ausnahmen, wie z.B. beim Nießbrauchsvorbehalt oder einer Zuwendung an den Ehegatten. Für eine Übertragung sollte also eine Gegenleistung erfolgen, die detailliert zu dokumentieren ist. Eine Gegenleistung solche kann neben einer (Kaufpreis-) Zahlung etwa in künftigen Pflegeleistungen sowie in einem Pflichtteilsverzicht eines anderen Pflichtteilsberechtigten liegen oder in der Erledigung von Verbindlichkeiten des Erblassers in der Vergangenheit, z. B. Unterhaltsschulden, oder einer Entlohnung von in der Vergangenheit dem Erblasser geleisteten Diensten.

Außerdem kommt in Betracht, etwa die Kinder nicht zu enterben, sondern dem Ehegatten ein Vermächtnis oder Nießbrauchvermächtnis an einzelnen Nachlassbestandteilen einzuräumen.

Letztlich muss man sich hier aber sehr genau jeden Einzelfall gesondert ansehen, um eine maßgeschneiderte Lösung zu entwickeln.

Agnes D. Wendelmuth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Familienrecht
Deutsche Topanwältin laut FOCUS-Listen 2013, 2016 bis 2022

Alle Artikel unter „Aktuelles" bei www.wendelmuth.net


Erbrecht: Die Unterscheidung zwischen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch

Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche unterscheiden sich u.a. dadurch, dass es bei dem Pflichtteilsanspruch maßgeblich auf den realen Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ankommt, während der Pflichtteilsergänzungsanspruch fiktive Hinzurechnungen von lebzeitigen Schenkungen des Erblassers beinhaltet, welche er mindestens in den letzten zehn Jahren vor seinem Ableben vorgenommen hat und die zu einer Ergänzung des Pflichtteilsanspruchs führen.

Beim Pflichtteilsanspruch muss sich der Pflichtteilsberechtigte eigene lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an ihn nur dann anrechnen lassen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Anrechnung der Schenkung angeordnet hatte.

Ganz anders ist die Rechtslage beim Pflichtteilsergänzungsanspruch. Hier hat sich der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich Eigengeschenke auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen zu lassen, wobei es dabei keinerlei zeitliche Begrenzungen gibt.

Gemeinsam ist hingegen wieder beiden Ansprüchen, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf dessen Verlangen hin in einer übersichtlichen und nachvollziehbaren Form den gesamten realen, aber auch fiktiven Nachlass (Schenkungen des Erblasser mindestens in den letzten zehn Jahren) darzustellen hat. Besteht Grund zu der Annahme, dass eine derartige Aufstellung vom Erben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist, hat der zur Auskunft verpflichtete Erbe an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben habe, als er hierzu im Stande sei. Der Pflichtteilsberechtigte kann darüber hinaus von dem Erben die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses langen. Hierbei hat der Notar auch die Möglichkeit, bei vermuteten ergänzungspflichtigen Schenkungen des Erblassers Nachforschungen anzustellen.

Rechtsanwalt Thomas Brehmel, zugleich Fachanwalt für Erbrecht, ist Sozius der Rechtsanwaltsund Fachanwaltskanzlei Mauersberger & Kollegen, Bahnhofstraße 52, 14612 Falkensee, Tel. 03322-24 26 87.

(www.rechtsanwalt-mauersberger.de )

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