Am Ende der EM-Festwochen freute sich Johannes Golla nur noch auf die Familie und seine beiden Kinder. „Ich bin aber trotzdem sehr, sehr dankbar für das, was wir hier in der Zeit erlebt haben“, sagte der Kapitän der deutschen Handballer, als er sich völlig abgekämpft ein letztes Mal vor die Mikrofone gestellt hatte. Neun EM-Spiele in zweieinhalb Wochen plus eine kräftezehrende Vorbereitung hatten beim gesamten Team von Bundestrainer Alfred Gislason ihre Spuren, aber auch viel Optimismus hinterlassen.
„Der Weg, den wir gemeinsam mit Alfred gehen, geht in die richtige Richtung“, sagte Golla. Trotz des enttäuschenden Abschlusses mit der verpassten Bronzemedaille und dem damit verspielten direkten Olympiaticket schöpften er und seine Teamkollegen „Zuversicht, weil wir es können“. Spielmacher Juri Knorr analysierte aber auch, dass der deutschen Mannschaft „noch ein bisschen Reife“ und auch ein bisschen Qualität“ fehle.
Gislason war am Ende des Heim-Turniers „sehr stolz. Dieses Turnier hat das Team in Sachen Erfahrung sehr vorangebracht.“ Den Umweg zu den Olympischen Spielen, für die Deutschland sich nun bei einem Viererturnier vom 14. bis 17. März mit Kroatien, Österreich und Algerien noch qualifizieren muss, hätte der DHB-Coach gern vermieden“, gab er zu. „Chancenlos“, ergänzte er schmunzelnd, sei seine Mannschaft aber keineswegs.
Während es für die Spieler schon am Wochenende im Pokal-Viertelfinale mit dem Vereinsalltag weitergeht, stürzte sich der DHB-Coach in die Aufarbeitung des Turniers. Und in viele Gespräche: Der Vertrag des Isländers läuft nach den Olympischen Spielen aus.
Gislason würde mit dem Team gern weiterarbeiten. „Ich habe signalisiert, dass ich das gerne mache, aber letztendlich entscheide ich das nicht“, sagte Gislason. Er sei in dieser Frage „sehr, sehr locker“ und spürt den Rückhalt aus der Mannschaft. „Es wäre richtig, wenn wir diesen Weg gemeinsam weitergehen. Ich stehe voll und ganz hinter Alfred“, bekräftigte Golla.
DHB-Sportvorstand Axel Kromer verwies nach dem verlorenen Bronze-Spiel gegen Schweden (31:34) am Sonntag in Köln auf eine Vereinbarung mit Gislason, sich nach der EM zusammenzusetzen. „Wir werden sicher nicht den morgigen Tag nutzen, aber die nächsten Tage auf jeden Fall“, sagte Kromer. Er wolle „die EM analysieren mit dem Trainerteam. Und dann wird es in Gespräche gehen.“ Für den 9. Februar ist turnusmäßig eine Präsidiumssitzung anberaumt. Dass an diesem Termin eine große Entscheidung getroffen werde, sei „eine Erwartung der Medien“, kommentierte Kromer, und setzte hinzu: „Wir werden Gespräche führen, das ist vollkommen klar.“
Fakt ist: Platz vier bei einem großen Turnier ist das bislang beste Ergebnis in der Amtszeit Gislasons, der das Team seit Anfang 2020 betreut. Für die erste Medaille seit dem so erfolgreichen Jahr 2016 mit EM-Gold und Olympia-Bronze reichte es aber auch unter dem früheren Kieler und Magdeburger Coach bisher nicht. „Ich glaube, dass wir deutlich näher an die Weltspitze herangerückt sind als im vergangenen Jahr. Ich bin sehr optimistisch für meine Mannschaft“, sagte Gislason.
Auch Golla sah trotz der ausgeglichenen Turnierbilanz von vier Siegen, vier Niederlagen und einem Remis „einen Schritt in die richtige Richtung“, in der Abwehrarbeit sogar einen „Riesenschritt nach vorn“. handball.net