Zur Gründungszeit gab es laut Vereinschronik eine ganze Reihe aktiver Spieler der TSG Seelow, die nicht mehr für den Turn- und Sportverein Seelow antreten wollten, und so trat die Sektion Fußball geschlossen aus dem Verein aus. Dennoch wollten die Fußballer weiterhin für ihre Heimatstadt kicken. Am 30. September 1990 war es schließlich so weit: In den Räumlichkeiten des Seelower Kreisbetriebes für Landtechnik, kurz KfL genannt, trafen sich 35 Personen, um einen neuen Verein, exakter Victoria Seelow, zu gründen.
Darunter Initiator Roland Bienwald, der selber lange aktiv Fußball spielte und direkt zum ersten Vorsitzenden des Vereins gewählt wurde. Noch heute ist der gebürtige Gusower für seine Victoria als Ehrenpräsident im Einsatz.„Es gibt wohl kaum ein aktives Mitglied im Verein, der solch ein Vorbild ist“, sagt Jörn Albrecht, der Bienwald nach 31-jähriger Amtszeit beerbte.
Nach der Gründung ging es auf Geheiß der damaligen Bürgermeisterin Helga Seiler bereits am 3. Oktober in die Partnerstadt Moers zum ersten und letzten deutsch-deutschen Fußballvergleich der Victrorianer gegen die Elf des Grafschafter Spielvereins. Die Partie ging zwar verloren, aber in den Folgejahren entwickelte sich der Fußballverein Victoria Seelow zu einer echten Erfolgsgeschichte - auch dank der zunächst noch belächelten Vision eines Roland Bienwald.
Bereits während der Gründungsversammlung lautete seine Zielstellung, dass die Victorianer einmal in der höchsten Spielklasse Brandenburgs vertreten sein müssen. Das Training der zunächst in der Kreisliga kickenden Victoria-Elf übernahm mittlerweile der verstorbene Jörg Schröder, der zuletzt auch viele Jahr lang Bürgermeister der Kreisstadt gewesen ist.
Es reihte sich Erfolg an Erfolg. Über die Kreisliga, Landeskasse und Landesliga gelang pünktlich zum 20. Victoria-Geburtstag mit der Meisterschaft der Landesliga, Staffel Nord, am 12. Juni 2010 der Sprung in die Brandenburgliga. Victoria Seelow avancierte auf Landesebene zu einer der Topadressen sowie interessanten Werbeträger für die MOL-Kreisstadt Seelow.

Um für die neue Spielzeit gewappnet zu sein, verpflichtete Seelow bekannte Spieler. So verstärkte sich die Victoria mit dem Abwehrspieler Sebastian Lawrenz und Stürmer Enrico Below, die den Kader in der neuen Liga mit auf Kurs halten sollten. Erfahrung pur besaß auch Defensivspezialist Toni Mielke. Der gebürtige Lietzener hatte mit der A-Jugend von Hansa Rostock kurz zuvor die Deutsche Vizemeisterschaft gewonnen.
Echte Typen gab es im Kader der Seelower auch. Allen voran, die aus Frankfurt stammenden Rick Drews, Nabil Nasser und Anastasios Alexandropoulos. Sie standen für Einsatzbereitschaft, Siegeswillen und genossen auch bei den Fans viele Sympathien. Auch der technisch versierte polnische Mittelfeldstratege Sebastian Jankowski stand bei den Anhängern hoch im Kurs.
Die Zuschauer in Seelow und Umgebung nahmen die neue Liga durchaus an. Mit einem Schnitt von mehr als 350 Besuchern belegte die Victoria einen vorderen Rang in der Zuschauertabelle. Dank einer erfolgreichen Saison 2014/2015 stieg Victoria Seelow in die Oberliga Nord auf. Die MOL-Kreisstädter sahen sich gewappnet für eine Liga, in der ein scharfer Wind wehte und in der es vor ehemaligen Profis nur so wimmelte.
Es war ein Haifischbecken, in das die Seelower geworfen wurden. Dabei zogen sie sich zunächst zahlreiche „Bisswunden“ zu und taten sich schwer als Neuling. Dennoch überstanden sie drei Spielzeiten, ehe es dann retour in die Brandenburgliga ging. Allein: Diesen kleinen Betriebsunfall bügelten die Mannen um Erfolgstrainer Peter Flaig mit dem Gewinn der Brandenburger Meisterschaft und dem direkten Wiederaufstieg in der Spielzeit 2018/2019 umgehend aus.
Was folgte, waren zwei Oberliga-Spielzeiten unter schwierigsten Corona-Bedingungen, die den Verein wirtschaftlich und sportlich zurückwarfen. Aktuell spielen die Victorianer in der Landesliga Süd und peilen den abermaligen Aufstieg in die Brandenburgliga an.
Im Laufe der Jahre hat sich rund um das Stadion, der Sparkassenarena „Am Stadion 3“ und dem EWE-Kunstrasenplatz in der Robert-Koch-Straße 8 einiges getan. Das Stadion erhielt zunächst einen barrierefreien Zugang. Es folgte eine neue Flutlichtanlage, ein neuer Rasenplatz sowie ein schmuckes, funktionales Sozialgebäude mit modernen Umkleidekabinen, Sanitärtrakt und Vereinsheims. Hinzu kam eine Kugelstoß-, Weitsprunganlage und Tartanlaufbahn sowie weitere mit Flutlicht versehene Spiel- und Trainingsplätze.
Die Bauarbeiten begangenen 1998 und dauerten bis 2009 an. In der Robert-Koch-Straße entstand indes direkt neben dem Flutlicht-Kunstrasenplatz ebenfalls ein neues Sozialgebäude mit Vereinsräumlichkeiten, das 2020 offiziell seiner Bestimmung übergeben wurde. „Wir verfügen nunmehr über zwei hervorragende Spielstätten und können unseren Aktiven fast Profibedingungen bieten.



"Bei allen Baumaßnahmen hat sich die Stadt Seelow stets als verlässlicher Partner erwiesen. Das Gleiche gilt auch für den Landkreis in Personen von Gunter Fritsch und Gernot Schmidt. Und natürlich sind wir manchmal nicht nur an die Grenzen des Machbaren, sondern auch schon mal des Erlaubten, gegangen. Dabei erwies sich vor allem Seelows Bauamtsleiter Jörg Krüger als größte Stütze", blicken der (noch) 70-jährige Bienwald und der aktuelle Vereinschef Jörn Albrecht nicht ohne Stolz auf das Erreichte zurück.
Mittlerweile verfügt der Verein über 400 Mitglieder. „Wir sind stolz auf die Victoria-Identität, die Verbundenheit mit unserer Region und den fraglos immer noch vorhandenen sportlichen Ehrgeiz“, so Bienwald. „Dies war und ist alles nur möglich durch Mitstreiter wie Jörn Albrecht, Daniel Münch, Henno Doege, Mario Buchwald, um nur einige stellvertretend zu nennen. Gepaart mit der enormen Tatkraft und Eigenleistung der Vereinsmitglieder - mehr als 10000 ehrenamtliche Stunden sind geleistet worden.“
„Natürlich dürfen die unzähligen Sponsoren, die uns stets finanziell unterstützten, nicht unerwähnt bleiben“, erläutert Bienwald, der aus gesundheitlichen Gründen den Victoria-Chefsessel räumte. In seine Fußstapfen trat Jörn Albrecht, ebenfalls ein Akteur der ersten Stunde. 2022 wurde Bienwald für seine Verdienste um den Seelower Fußball auch auf Landesebene ausgezeichnet - mit dem Kristallfußball, der höchsten Ehrung des Brandenburger Fußballverbandes.
Albrecht indes hebt besonders das Engagement im Jugendbereich hervor: Er will Victoria mit modernem Vereinsimage zukunftsorientiert aufstellen, um langfristig weiterhin die sportlichen Ziele zu erreichen. 11 Jugendmannschaften, mehr als 40 Trainer und Betreuer arbeiten ehrenamtlich.„Es macht einfach Spaß, in solch einem Verein mitzuarbeiten“, sagt auch Jugendwart Heino Doege. In Sachen Frauenkick hat Mario Zahn die Fäden in den Händen.

Heute ist Victoria Seelow aus dem Leben der Menschen in der Kreisstadt von Märkisch-Oderland nicht mehr wegzudenken ist. Seit nunmehr 35 Jahren engagieren sich Sportbegeisterte rund um den Fußball und andere Aktivitäten. Dabei geht es längst nicht mehr ausschließlich um Fußball, sondern auch um die Frauensportgruppe von Gerda Parnow sowie Tischtennis. Unter Leitung von Marlene Schulz, Dietmar Ehrlich, Frank Hanisch und Lennox Gering hat sich mit Lena Münch, Mia Hübner und Lea Eckert im Nachwuchsbereich ein Trio herausgebildet, das nicht nur auf Landesebene für Furore sorgt. Rudi Schulz rief 2010 federführend die Tischtennisabteilung ins Leben.
Für weitere Sternstunden sorgt und das alljährliche Victoria Sport- und Spielfest in der heimischen Sparkassenarena. In den 30 Jahren gab es aus diesem Anlass Duelle mit Hertha BSC, Energie Cottbus oder dem aktuellen Bundesligisten Union Berlin.
Ebenso zu den Höhepunkten in den vergangenen Jahren gehörte der Auftritt der legendären Rockband Puhdys. Die Musiker widmeten nicht nur dem 1. FC Union ihren Song„Eisern Union“, der zur Vereinshymne der Köpenick-Kicker wurde, kreierten zudem dem SC Paderborn 07 den Song „Helden geben nie auf“, sondern sorgten auch in der Seelower Sparkassenarena für viele musikalische Gänsehautmomente.
Von Udo Plate