
Drei Fakultäten, 30 Studiengänge, elf weiterführende Master of Arts-Studiengänge und vier gebührenpflichtige Weiterbildungsstudiengänge: An der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) zählt man derzeit 3933 Studierende, davon 2321 Bildungsin- und 1612 Bildungsausländer. Die als klein, aber fein geschätzten Stiftungsuniversität wurde am 15. Juli 1991 wiedergegründet.
Anno 1506 war es Kurfürst Joachim I., der die Alma mater Viadrina (übersetzt: Die an der Oder gelegene) aus dem Boden stampfte. Damals war Frankfurt eine der bedeutendsten Städte der Mark Brandenburg. Und die Viadrina die erste Landesuniversität. Sie lag an der Kreuzung wichtiger Handelswege - von Paris nach Moskau, von Budapest nach Berlin, über die Oder zur Ostsee. Tausende Studenten aus dem Osten kamen nach Frankfurt. Und nutzten die Uni nicht selten als Sprungbrett zu anderen Universitäten im Westen.
Doch 1811 wurde die Viadrina geschlossen. Die ein Jahr zuvor vom ehemaligen Viadrina-Studenten Wilhelm von Humboldt gegründete Berliner Universität stellte Frankfurts Aushängeschild in den Schatten. Deren Professoren lehrten von nun an in Berlin oder Breslau, wohin die Viadrina mit ihrem Inventar übersiedelte.
Niemand konnte ahnen, dass die Universität eines Tages an ihrem alten Platz wiedererstehen würde, zumal Frankfurt (Oder) im Laufe der Geschichte geografisch an den deutschen Rand rutschte, zur Grenzstadt wurde.„Fast nicht mehr im Westen und noch nicht ganz in Polen“, wie die „Berliner Zeitung“ 2006 unter dem Titel „Die im Niemandsland gelegene“ formulierte.
Die Neugründung der Viadrina sei der Verdienst einer Gruppe Entschlossener„die es sich in den Kopf gesetzt hatten, die Uni in neuer Form wiederzubeleben“. Die Zeit war reif dafür. Nach dem Ende der DDR brauchte das wiederentstandene Land Brandenburg neue Universitäten. Hinzu kam die Strukturkrise nach der deutschen Vereinigung.
Teil 2: 1990 bis 1992
1991 starb das Halbleiterwerk, die letzten 4000 Arbeiter wurden entlassen. Jeder fünfte Frankfurter war arbeitslos. Die Universität sollte nicht nur der Vergreisung entgegenwirken. Mit ihrer Wiedergründung als Europa-Universität erhoffte man sich auch politische Impulse. Ein EU-Parlamentarier formulierte damals: „Die Grenzpfähle in Europa sollen verschwinden. Diese Universität ist dazu ein erster Schritt“.
Dem Gründungssenat gehörten Professoren, Politiker und Juristen an - aus Potsdam, Göttingen, Paris, Wrocław und Tübingen. Einzelne ragen bis heute heraus. Etwa der erste Rektor, der Deutsch-Amerikaner Hans N. Weiler, der aus Stanford nach Frankfurt kam. Oder der Historiker Rudolf von Thadden, der die Idee mitbrachte, die Viadrina zur Brücke nach Polen im Osten und Frankreich im Westen zu machen. Und Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, der einst schrieb: „So wie das Rheinland mit dem westeuropäischen Kulturkreis verbunden ist, so waren die Deutschen östlich der Elbe auf Osteuropa orientiert, waren selbst eher Ostals Westeuropäer.“ Sichtweisen wie diese sind es, die den Geist der Universität ausmachen.
jko