Vor 30 Jahren begann in Deutschland und damit auch für die Menschen in unserer Region eine neue Zeitrechnung. Aus Einwohnern des Kreises Angermünde wurden wieder Uckermärker. Nicht nur an der Grenze nach Westdeutschland öffneten sich die Schranken, auch langsam in den Köpfen der Menschen. Jeder musste auf seine Weise mit der veränderten Situation umgehen, auch wir Tageszeitungsredakteure.
Zu den MOZ-Redakteuren der ersten Stunde gehört auch Daniela Windolff: „Meine ersten Berufsschritte als Redakteurin machte ich in der Angermünder Lokalredaktion des „Neuen Tages“, aus dem später die Märkische Oderzeitung hervorging. Angermünde war nicht meine erste Wahl. Die drei Pflichtjahre nach dem Journalistk-Studium versetzten mich Ende 1987 in dieses für meinen damaligen Geschmack hässliche Kaff, das aus grauen windschiefen Häusern bestand und um 17 Uhr, wenn der letzte Konsum schloss, die Bürgersteige hochklappte. Das einzige, was mich schon damals versöhnte, war die wunderschöne Landschaft. Murren nützte nichts, aufbegehren schon gar nicht. Ich hoffte, dass die drei Jahre schnell vorbei sind und ich nach Berlin wechseln konnte. Die Wende durchkreuzte meine Pläne in einer Weise, die mein Leben komplett veränderte, ohne dass ich je den Arbeitsort wechseln musste, der nun auch zu meiner Heimat wurde und es noch immer ist. Neben dem rasanten technischen Fortschritt von der Schreibmaschine mit Blaupapier zum Apple McIntosh-Computer, vom Schwarz-Weiß-Negativ-Film zur Digitalkamera, von Kassetten über Disketten zu USB-Sticks, wandelte sich auch unser journalistisches Selbstverständnis und die Verantwortung, offen und dennoch sensibel mit kritischen Themen und verschiedenen Meinungen umzugehen, Dinge zu hinterfragen und Meinungsaustausch fair und sachlich zu führen.
Diesen neuen Wind spürte ich als junge Redakteurin schon bei den Runden Tischen in Angermünde, an denen ich teilnahm und zum ersten Mal eine ganz offene, direkte, kritische Diskussionskultur miterlebte, die sich auch erst einmal von Emotionen und persönlichen Angriffen freimachen musste. Ich erlebte eine erfrischende Aufbruchstimmung auch in der Bevölkerung, Bürger, die sich plötzlich ohne Anordnung und Parolen „von oben“ freiwillig einmischten, mitgestalten wollten. Die AG Stadtgestaltung und der Bürgerkreis, in der sich mutige Angermünder gegen den geplanten Abriss der Altstadt stark machten und die Chance der Stadtsanierung glaubten. Damals eine kühne Vision, heute der größte Glücksfall für Angermünde.
Als Journalistin plötzlich völlig frei das begleiten zu dürfen, war für mich eine aufregende Zeit, in der alles möglich schien. Diesen frischen Wind, diese Aufbruchstimmung, dieses Miteinander wünschte ich mir heute manchmal. Denn die Zeiten bleiben spannend und nichts, wie es war, aber wir sind dabei und können es gestalten.“
Daniela Windolff