Ein Meilenstein in der Geschichte der Presseentwicklung in Ostbrandenburg war der 17. März 1990. Einen Tag vor den ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR wurde aus dem „Neuen Tag“ die „Märkische Oderzeitung“. Diese Umbenennung markierte einen entscheidenden Wendepunkt für die Zeitung und die gesamte Region.
Zu diesem Zeitpunkt war die Zeitung de facto weitgehend wirtschaftlich noch von der Nachfolgepartei der SEDPDS abhängig. In der DDR waren die Bezirkszeitungen ohne erhebliche Zuschüsse durch den SED-Konzern Zentrag nicht lebensfähig. Rund 80 Prozent der Kosten - so schätzten westliche Verlagsexperten wurden auch beim SED-Organ„Neuer Tag“ subventioniert. So kostete der „Neue Tag“ bis zum Schluss lediglich 15 Pfennig - ein Preis, der selbst in der DDR unrealistisch niedrig war. Dennoch war es in der DDR wegen Papiermangels schwierig, ein Abonnement zu bekommen. Erst im Februar 1990 erreichte der „Neue Tag“ mit seinen täglich acht Seiten wochentags mit 216.000 Exemplaren die höchste Auflage seit seiner Gründung im Jahr 1952.
In dieser Zeit des Auflagenzenits begann ein tiefgreifender Wandel. Ende Januar 1990 hatte sich die Redaktion bereits von der Partei als Organ losgesagt und ein eigenes Redaktionsstatut verabschiedet. Der Hamburger Bauer-Verlag unterstützte in dieser Phase das Frankfurter Zeitungshaus in besonderer Weise. Sein Slogan „Zeitung mit Herz“ traf den Nerv vieler Leser in dieser Zeit. Die Umbenennung in„Märkische Oderzeitung“ setzte jedoch ein doppeltes Signal: Die Zeitung bekannte sich zur Unabhängigkeit sowie Überparteilichkeit. Genauso weitreichend war das Bekenntnis zur Regional- und Lokalzeitung. Die Zeitung bekam damit eine neue Seele.
Die Entscheidung, die geografischen Begriffe “Mark“ und „Oder“ im Titel zu vereinen, folgte dem Gedanken an das künftige Land Brandenburg, die gute alte Mark. Der neue Name weckte auch neue Ansprüche. So gehörte zu den ersten Entscheidungen, den Lokalteil in den elf Ausgaben jeweils von einer Seite auf zwei Seiten zu erweitern. Der Name „Märkische Oderzeitung“ und die Hinwendung zur Lokalzeitung sind Leistungen der hiesigen Journalisten im Medien-Umbruch in Ostbrandenburg 1989/90.
Die „Märkische Oderzeitung“ war von Beginn an jedoch mehr als nur eine Zeitung. Anfang der 1990er Jahre brach vieles Gewohnte aus der DDR-Zeit weg. Doch die Zeitung blieb eine Institution - ein Ratgeber und Lotse im Alltag. Sie war in den unsicheren und unübersichtlichen Zeiten der Wende eine wichtige Aufklärerin. Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Manfred Stolpe bemerkte dazu mal in einem Hintergrundgespräch auf eine Bemerkung eines westdeutschen Journalisten, dass ostdeutschen Zeitungen bei der Berichterstattung noch zu viele Fehler unterlaufen sinngemäß: Ostdeutsche Leser und Journalisten - beide ohne Demokratieerfahrung - seien mit gemeinsamen Wurzeln und Erfahrungen in die deutsche Einheit gegangen. Auch Fehler würden nun gemacht, aber ebenso verziehen, weil sie nachvollziehbar waren.