Darf ich Ihnen helfen?

Woche des Sehens

Darf ich Ihnen helfen?

Nicht nur, aber gerade in diesen besonderen Zeiten: Hilfe für blinde und sehbehinderte Menschen

DBSV Es ist hilfreich, wenn jemand anbietet, Blinden und Sehbehinderten die an der Haltestelle ankommenden Buslinien anzusagen und bei der Suche nach Bustür und Sitzplatz als „Navi“ zu dienen. Foto: DBSV/Oliver Ziebe

21.10.2021

Die Einschränkungen im Zuge der Corona-Krise stellen Menschen mit Sehbehinderung zum Teil vor große Probleme. Wann geht es in der Warteschlange weiter, hält man genug Abstand - und wohin fährt der Bus? „Viele Menschen mit Seheinschränkung leiden ganz enorm unter der neuen Situation – und oft wäre die Lösung verblüffend einfach“, sagt Klaus Hahn, Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands (DBSV). Denn jeder kann helfen. Der Verband gibt Tipps, wie man konkret unterstützen kann:Hilfe anbieten: Wie viel Unterstützung ein sehbehinderter Mensch benötigt, ist von seiner Erfahrung, seinem Wissen und der Tagesform abhängig. Hilfe anzubieten ist aber grundsätzlich nicht falsch und auch mit sicherem Abstand möglich. Ein Satz wie „Die Dame mit dem weißen Stock – kann ich Ihnen helfen?“ sei völlig in Ordnung, erläutert der Verband.

Nicht nur, aber gerade in diesen besonderen Zeiten: Hilfe für blinde und sehbehinderte Menschen

Reden: In Zeiten des Abstandhaltens sind Sehbehinderte und Blinde noch mehr als sonst darauf angewiesen, dass man mit ihnen spricht. Freundliche Hinweise wie „Ich sag Ihnen gern Bescheid, wenn Sie dran sind“ oder „Einen Meter rechts von Ihnen ist ein Spender für Desinfektionsmittel“ können bereits weiterhelfen.

Abstand halten: Ob auf dem Bürgersteig oder in der Straßenbahn – viele Menschen mit Seheinschränkung bekommen nicht früh genug mit, wenn der Abstand zu einer anderen Person zu gering wird. Deshalb sind sie darauf angewiesen, dass man ihnen ausweicht. Sollte das jedoch nicht möglich sein, weil kein Platz ist: einfach etwas sagen.

Busfahren: Bei Bussen, in denen der vordere Bereich abgesperrt ist, können sehbehinderte und blinde Menschen nicht mehr wie gewohnt beim Fahrer einsteigen, ihn fragen, auf welcher Linie er fährt, und sich dann auf die vorderen Plätze für schwerbehinderte Menschen setzen. Deshalb ist es hilfreich, wenn jemand anbietet, die an der Haltestelle ankommenden Buslinien anzusagen und bei der Suche nach Bustür und Sitzplatz als „Navi“ zu dienen.

Einkaufen: Viele Befragte haben Schwierigkeiten mit der Pflicht, einen Einkaufswagen zu benutzen, weil das den Einsatz ihres weißen Stockes erschwert. Wer Nudelpackungen abtastet, um die richtige Sorte zu erwischen, muss sich auf böse Kommentare gefasst machen. Auch Abstandsmarkierungen, die mit dem Stock nicht ertastet werden können, sorgen für Probleme. In vielen Situationen wäre mehr Gelassenheit beim Personal und den anderen Kunden sehr willkommen.

Neue Regeln: Seit Beginn der Pandemie werden vielerorts Zettel ausgehängt, um die Zahl der Kunden zu beschränken, Eingang und Ausgang zu trennen, das Hygiene-Konzept vorzustellen … Die Befragten würden die neuen Regeln gern beachten, können die Zettel aber nicht lesen und benötigen deshalb Unterstützung. Hinweise könnten beispielsweise in großer Schrift oder als E-Mail angeboten, im Internet veröffentlicht oder vom Personal und anderen Kunden vorgelesen werden.

Kontraste: Viele Bereiche in Supermärkten, Arztpraxen, Bäckereien etc. sind mit transparentem Plexiglas „verbarrikadiert“ worden. Sehbehinderte Menschen stoßen sich daran die Köpfe und verbringen viel Zeit damit, die „Durchreiche“ zu suchen. Was spricht dagegen, die Ränder der Scheiben mit kontrastreichem Klebeband zu markieren? Auch der Kontrast von Markierungsstreifen zum Fußboden könnte oft optimiert werden.

Masken: Einige der Befragten wünschen sich Verständnis dafür, dass sie aufgrund einer bestimmten Seheinschränkung keine Maske tragen – sie könnten sonst gefährliche Hindernisse wie abwärts führende Treppenstufen nicht mehr erkennen. An alle Träger von Mund-Nasen-Bedeckungen geht die Bitte, besonders klar und deutlich zu sprechen, weil die Maske die Verständlichkeit reduziert. Während sehende Menschen das mit sprachbegleitenden Gesten ausgleichen können, sind blinde und auch viele sehbehinderte Menschen voll und ganz auf die Stimme des Gegenübers angewiesen.

Warteschlangen: „Corona-Schlangen“ mit Abstand zwischen den Wartenden sind für viele sehbehinderte und blinde Menschen ein Buch mit sieben Siegeln. Sie würden sich freuen zu erfahren, dass es eine Schlange gibt, ob sie zur Post oder zum Bäcker führt, wo man das Ende der Schlange findet und wann man vorrücken soll.

Verständnis: Zahlreiche Befragte geben an, dass sie sich kaum noch aus dem Haus trauen, aus Sorge, etwas falsch zu machen. Sie wünschen sich weniger Bemerkungen wie „Steht doch da“ und „Warum nehmen Sie sich keine Begleitung mit“. Stattdessen wünschen sie sich mehr Gelassenheit, mehr Hilfsbereitschaft, mehr Kommunikation und mehr Verständnis für ihre Situation. (dbsv)
 

Genaue Zahlen gibt es nicht

Blindheit und Sehbehinderung in Deutschland

Blinde und sehbehinderte Menschen werden in Deutschland nicht gezählt. Das ist eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, wie nützlich empirisch erhobene Daten wären. Der Zahlenmangel führt dazu, dass in vielen Bereichen Verantwortliche auf Vermutungen angewiesen sind, wo sie eigentlich Planungssicherheit bräuchten.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehinderten Verband (DBSV) fordert deshalb seit vielen Jahren empirisch erhobenes Zahlenmaterial zur Situation der blinden und sehbehinderten Menschen in Deutschland. Besonders wichtig wäre das für den Sehbehindertenbereich, in dem die Betroffenenzahlen anscheinend seit Jahren dramatisch ansteigen (siehe WHO-Zahlen). Laut WHO ist in Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Island, Italien und den Niederlanden von 1990 bis 2002 die Zahl der Sehbehinderten um 80 Prozent gestiegen, eine ähnliche Entwicklung muss auch für Deutschland angenommen werden. Hintergrund ist das Phänomen „Alternde Gesellschaft“ verbunden mit einer steigenden Lebenserwartung. Laut Auskunft des Statistischen Bundesamtes gab es am 31. Dezember 2019 in Deutschland 76 740 blinde Menschen, 51 094 hochgradig sehbehinderte Menschen und 452 930 sehbehinderte Menschen. Der DBSV betrachtet diese Zahlen als untere Grenze und geht von höheren Zahlen aus. Grund ist, dass in der Schwerbehindertenstatistik nur Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis erfasst werden, den jedoch viele sehbehinderte und auch einige blinde Menschen nicht besitzen. (dbsv)

Gute Frage

Was ist die Woche des Sehens?

Die Woche des Sehens ist eine bundesweite Aufklärungskampagne, die seit 2002 jährlich im Oktober stattfindet, in diesem Jahr ist es der Zeitraum vom 8. bis 15. Oktober. „Die Zukunft im Auge behalten“ ist ihr diesjähriges Motto.

Die Kampagne macht auf die Bedeutung eines guten Sehvermögens, die Ursachen vermeidbarer Blindheit und auch auf die Situation blinder und sehbehinderter Menschen in Deutschland und in den ärmsten Ländern der Welt aufmerksam. Jeder, der die Ziele der Kampagne unterstützt, kann sich beteiligen und eine Veranstaltung im Rahmen der Woche des Sehens organisieren. Höhepunkte sind in jedem Jahr die zwei internationalen Aktionstage „Welttag des Sehens“ und „Tag des weißen Stockes“.

Getragen wird die Aktionswoche von der Christoffel-Blindenmission, dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, dem Berufsverband der Augenärzte, dem Deutschen Komitee zur Verhütung von Blindheit, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, dem Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf und PRO RETINA Deutschland.

Die Durchführung der Woche des Sehens ist durch das Engagement der sieben genannten Partner sowie durch die Unterstützung von der Aktion Mensch und des Unternehmens Zeiss möglich. Übrigens: Die Schirmherrin der Woche des Sehens ist die Fernsehjournalistin Gundula Gause. (dbsv)

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