Manches lässt sich in bildhaften Vergleichen sehr viel besser ausdrücken als rein mathematisch in Zahlen. Dafür sind es Theaterleute, die hier agieren. Die imposante Raumbühne beispielsweise, beschreibt es Paul Spittler, würde das Gewicht von vier Elefanten auf die Waage bringen. Und lässt sich dennoch schon zu zweit durch die drehbare Lagerung ganz leicht in eine neue Position bringen. Klingt das nicht viel eingänglicher als schlichte 2,5 Tonnen?
In jedem Fall ist die Konstruktion, die 2020 dazukam, nunmehr das Herzstück des Theaters im alten Wasserwerk. Und es geht dabei nicht nur Szenenwechsel, sondern mit dem verbauten Holz als lebendiger Werkstoff ganz klar auch um einen ständig sichtbaren Kontrapunkt zu all dem Beton, der sonst dominiert. Schließlich ist es keine ,,normale" Spielstätte, die kürzlich ihr fünfjähriges Bestehen feierte. Die Andere Welt Bühne Strausberg ist nahezu in jeglicher Hinsicht einzigartig, in ihren Theaterraum ebenso wie in Anspruch und Ausrichtung. Gerade das aber hat ihr im Laufe der Zeit eine stetig wachsende Schar von Fans beschert. Viele schauten auch zur Jubiläumsfeier persönlich vorbei, gemeinsam wurden Erinnerungen ausgetauscht. Abseits der abendlichen Bühnenshow mit Rück- und Ausblicken waren es auch alte Plakate selbst der frühesten Inszenierungen und jede Menge Bilder, die als optische Puzzleteile illustrierten, was hier alles schon seit den Anfängen 2017 gelaufen ist. Zwei Namen stehen in erster Linie für das Wagnis, an dieser Stelle ein Theater zu betreiben: Melanie Seeland fand in Inès Burdow, die auch den Namen mitbrachte, die genau passende Partnerin. Und es ist eben Paul Spittler, selbst hier bis zum Abitur aufgewachsen und seit zwei Jahren als Regisseur in der DAWB wirkend, der nun als drittes Mitglied in die Leitung aufrückt.
Ein weiterer ganz wichtiger Name spielte auch bei der Show eine Rolle. Denn von Matthias Merkle stammen nicht nur als Autor viele der hier inszenierten Stücke. Er ist zugleich der Hauptprotagonist der Gesamtentwicklungen auf dem alten Postgelände, in dessen Projektverbund, jüngst ergänzt um die ,,Schmorpost" als kulinarische Adresse am Eingang des Areals, sich das Theater als ein wesentliches Element einfügt. Das Strausberg, in Sachen Kultur in drei Jahrzehnten nach der Wende nicht immer ein einfaches Pflaster war und ist, nunmehr schon fünf Jahre ein Theater hat, ist auch bewusstes Bekenntnis des Teams, was im alten Wasserwerk wirkt.
Die konkreten Arbeitsbedingungen waren da niemals leicht. Erst seit den größeren Umbauarbeiten in der Coronazeit einschließlich Heizung sind nun rund ums Jahr Vorstellungen möglich. Damit dürfen sich schon jetzt alle Freunde der Bühnenkunst auf die nächste große Premiere wieder zu Weihnachten freuen: Am 25. Dezember um 19.30 Uhr heißt es auf dem Spielplan erstmals »Anschluss im Abseits - Banden, Stadt und Eisenbahn". Die Vorlage stammt wieder von Merkle, es geht um Strausberger Geschichte, Reibung an der Vergangenheit der Stadt. Das Stück ist ein Diskursschwank - ein neues Genre, das genau hier erfunden wurde, wie es in der Jubiläumsshow hieß. In dieser agierte neben Melanie Seeland und Paul Spittler auch Cynthias Buchheim auf der Bühne, die aus Berlin-Hellersdorf stammt und seit dem Frühsommer 2020 nun schon über diverse Inszenierungen hinweg fest zum Team gehört.
Mit ,,Effie Briest ff"(wieder am 26. November) nach Fontane und Dürrenmatts „Die Physiker" (wieder 18. November), beides Schulstoff, gab es auch schon spezielle Auftritte nur für Schüler. Und mit dem aktuellen Werk ,,Ping Pong Stereophonie", das am 14. Oktober Strausberger Erstaufführung hatte, waren die Akteure zuletzt als Gastspiel bis in die Steiermark unterwegs. Fester Partner für die sonntäglichen Kindervorstellungen ist wiederum das Team von Flunkerproduktionen, das als Geburtstagsgeschenk für fünf Jahre DAWB ein Puppenstück für Erwachsene mitgebracht hatte.
Fotografin Julia Otto hatte zum Jubiläum wiederum beinahe 30 Porträts zu einer großen Collage an einer der Wände zusammengefügt: Es sind Menschen, die in der einen oder anderen, Weise, kürzer oder länger, mit dem Theater verbunden sind. Ein Bild zeigt auch Finja Schramm - die 15-Jährige war im Sommer auf eigene Initiative die erste Schülerpraktikantin des Teams, hat in nahezu alle Bereiche hineinschnuppern dürfen und vielfältig Bühnenluft geschnuppert. Eine sehr prägende Erfahrung, wie Finja sagte, als sie mit ihrer ganzen Familie zur Feier vorbeischaute. Thomas Berger
Info/Programm: https://wasserwerk-theater.com/