Schwedt. Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eingesetzte Arbeitsgruppe, die Zukunftsfragen der PCK-Raffinerie klären soll, berät während des Sommers nicht. Zwar sollen Mitglieder der Arbeitsgruppe weiter im Kontakt sein, doch über den Inhalt der Gespräche ist nichts bekannt. Das beunruhigt nicht nur das Zukunftsbündnis Schwedt und die Bürgerinitiative, die am 29. Juni eine Kundgebung mit über 3000 Teilnehmern in der Oderstadt organisiert hatten. So viele Menschen waren seit der Wende nicht mehr zu einer Demonstration zusammengekommen.
Lösungen gefordert
Zu den Demonstranten auf dem Schwedter Platz der Befreiung gehörte auch Peter Scholz aus Stolpe. ,,Ich habe viele Bekannte, die im PCK arbeiten. Die haben Angst um ihren Arbeitsplatz, wenn das Erdöl wegen des Embargos nicht mehr zuverlässig fließt", sagte er. ,,Wenn die Regierung das Embargo durchsetzen will, muss sie erst mal Lösungen aufzeigen."

Solche Lösungen fordert auch das Zukunftsbündnis Schwedt ein. Starke Partner in diesem Bündnis sind der PCK-Betriebsrat und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Sie bildet in Berlin und Brandenburg den flächenmäßig größten Bezirk der Industriegewerkschaft und hat 16 000 Mitglieder. Bezirksleiter Rolf Erler fordert neben der vollständigen Sicherung der Beschäftigung und der Tarifbindung auch die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung von PCK mit Rohöl für die kommenden Jahre. Der Bund müsse nachvollziehbare Perspektiven für einen klimagerechten Umbau der Raffinerie aufzeigen und massiv in die Infrastruktur der Region investieren.
Im PCK sträubt sich niemand dagegen, den klimagerechten Umbau des Chemiewerkes anzupacken. Doch dieser Prozess, der als Transformation des Industriestandortes in aller Munde ist, ist nicht bis zum Jahresende zu schaffen. Doch wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, soll ab neuem Jahr kein Erdöl aus Russland mehr nach Schwedt fließen. Simona Schadow ist Betriebsratsvorsitzende im PCK und sagt: „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie den Menschen in Schwedt und der Region einen geordneten, verlässlichen Transformationsprozess aufzeigt, der geeignet ist, Vertrauen zurückzugewinnen. Wir brauchen eine ausreichende Rohölversorgung, mit der die Wirtschaftlichkeit des Raffineriebetriebes gewährleistet ist."
Ausbildung geht weiter
PCK hat zurzeit 1200 Mitarbeiter, darunter 80 Azubis. Etwa 50 von ihnen haben an der Kundgebung teilgenommen. Zu ihnen gehörte auch Laura Wendorff, die Chemikant werden will. ,,Es ist beängstigend, was mit dem PCK passiert", sagte sie. In wenigen Wochen beginnt das neue Ausbildungsjahr. Etwa 30 junge Menschen haben bei PCK einen Ausbildungsplatz ergattert und sich eine berufliche Zukunft in der Raffinerie erhofft. Sie und ihre Eltern empfinden die gegenwärtige Lage als ungewiss.
Den künftigen Azubis, die demnächst bei PCK eine Ausbildung zum Beispiel als Chemikant, Industriemechaniker und Elektroniker aufnehmen wollen, versicherte Ausbildungsleiter Kai Tauchert: ,,Die Lehrverträge sind unterschrieben und haben Bestand." Die jungen Leute würden jetzt genau für den bevorstehenden Transformationsprozess ausgebildet.
Unruhe wächst
Indessen wächst die Unruhe bei Betriebsrat, Gewerkschaft und Einwohnern. Am 31. Dezember könnte der Schieber in der Erdölleitung zugehen. Simona Schadow fordert deshalb den Bau einer zweiten Leitung von Rostock nach Schwedt. Die derzeitige Leitung, über die Öl vom Ostsee-Hafen bis ins PCK fließen soll, ist nicht für einen Dauerbetrieb ausgelegt. Dringend geklärt werden muss auch die Gesellschafterstruktur. Derzeit hält der russische Staatskonzern Rosneft 54 Prozent der Anteile am Unternehmen. Eva-Martina Weyer