Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 09.10.2025 (Az. 33 Wx 44/25 e) einen Fall entschieden, der für viele Bürger überraschend sein dürfte: Eine handschriftliche "Quittung“ kann ein wirksames Testament sein - mit der Folge, dass sich die gesamte Erbfolge ändert. Der Erblasser war 2022 ledig und kinderlos verstorben.
Nach seinem Tod fanden sich zwei Schriftstücke: ein handschriftlicher Text aus 1999, in dem seine Lebensgefährtin als Alleinerbin bezeichnet war, allerdings ohne Unterschrift, sowie ein weiteres eigenhändiges und unterschriebenes Schreiben aus 2002. In diesem bestätigte der Erblasser zum einen ein Darlehen seiner Lebensgefährtin für den Umbau seines Hauses, zum anderen ordnete er an, dass dieser Betrag im Todesfall vom Nachlass abgezogen und der Lebensgefährtin als Erbin zugutekommen solle.
Die gesetzliche Erbin beantragte einen Erbschein zu ihren Gunsten; das Nachlassgericht wollte diesem Antrag folgen. Dagegen legte die Lebensgefährtin Beschwerde ein und berief sich darauf, testamentarische Alleinerbin zu sein. Das OLG München stellte zunächst klar, dass
das Schriftstück von 1999 mangels Unterschrift formunwirksam ist (§ 2247 BGB). Entscheidend war daher das Schreiben von 2002: Es war vollständig handschriftlich und eigenhändig unterschrieben und erfüllte damit die Voraussetzungen eines formwirksamen eigenhändigen Testaments.
Zentral war die Frage nach dem Testierwillen. Eine letztwillige Verfügung muss nicht ausdrücklich als "Testament“ bezeichnet sein; maßgeblich ist, ob aus Inhalt und Umständen hervorgeht, dass der Erblasser eine verbindliche Regelung für den Todesfall treffen wollte. Das Schreiben aus dem Jahr 2002 verband die Darlehensbestätigung mit der Formulierung, dass der Betrag der Lebensgefährtin "als Erbin zugutekommen" solle. Nach Auffassung des OLG ergibt diese Aussage nur dann einen Sinn, wenn der Erblasser tatsächlich beabsichtigte, sie zur Erbin einzusetzen und zugleich eine steuerliche Entlastung zu ermöglichen. Die äußere Form als vermeintliche "Quittung“ stand der Annahme eines Testaments daher nicht entgegen.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Schreiben aus 2002 ein wirksames Testament darstellt und wies den Erbscheinsantrag der gesetzlichen Erbin zurück. Der Fall zeigt, dass unscheinbare Schriftstücke wie Briefe, Notizen oder Quittungen erhebliche erbrechtliche Wirkung entfalten können, wenn der Testierwille klar erkennbar ist.
Gleichzeitig macht die Entscheidung deutlich, wie wichtig eindeutige und formwirksame Testamente sind - insbesondere für nichteheliche Lebensgemeinschaften, in denen ohne Testament keinerlei gesetzliches Erbrecht besteht. Auch nach Jahren kann ein kurzer handschriftlicher Text darüber entscheiden, wer tatsächlich erbt.
Als Absolvent des Fachanwaltslehrgangs für Erbrecht ist Rechtsanwalt Seehaus schwerpunktmäßig auf den Gebieten des Erb-, Familien- und Grundstücksrechts sowie des Straf-, Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrechts tätig. Sie erreichen die Kanzlei Seehaus & Schulze im Büro in Werder Mo-Do. von 8.00-18.00 Uhr und Fr. 8.00-15.00 Uhr unter der Tel. 03327/ 569 511 und im Büro in Bad Belzig Mo-Do. 9.00-18.00 Uhr und Fr. 9.00-15.00 Uhr unter Tel. 033841/6020. Termine können auch außerhalb der Sprechzeiten vereinbart werden.


