Trauerfeier ohne Musik - ein Grund zur fristlosen Kündigung?

RECHT & STEUERN

Trauerfeier ohne Musik - ein Grund zur fristlosen Kündigung?

30.04.2024

Kann ein Kirchenmusiker fristlos gekündigt werden, weil er seinen Einsatz bei einer Trauerfeier verpasst hat? Mit dieser Frage hat sich das Arbeitsgerichtes Lübeck in seiner Entscheidung vom 15.06.2023 – 1 Ca 323 öD/23 beschäftigt. 

Seit 27 Jahren war der Kläger als Kirchenmusiker einer Gemeinde tätig. Gegenüber dem Gemeindebüro erklärte er verbindlich seine Bereitschaft, die musikalische Begleitung einer Trauerfeier zu übernehmen. Die Liedauswahl sprach der Pastor vier Tage vor der Trauerfeier auf den Anrufbeantworter des Klägers.

Am Tag der Bestattung war er weder für den Pastor noch für das Bestattungsunternehmen telefonisch erreichbar und erschien auch nicht. Drei Tage später meldete er sich per E-Mail beim Pastor und entschuldigte sich für sein Fehlen. Die Vorbereitungen eines Kindermusicals hätten ihn im Dauereinsatz gehalten und einen Blick in den Kalender und auf den Anrufbeantwortet kaum noch möglich gemacht. 

Nach Anhörung der Mitarbeitervertretung kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Der Kläger wendete sich an das Arbeitsgericht und verlangte die Weiterbeschäftigung. In dem gerichtlichen Verfahren wurden alle Umstände des Einzelfalles abgewogen.

Nur, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist, liegt ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vor, der eine fristlose Kündigung möglich macht.

Eine fristlose Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche mildere Reaktionsmöglichkeiten nicht zumutbar sind. So kann eine Abmahnung grundsätzlich ein milderes Mittel sein. Dies scheidet nur dann aus, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist. Auch bei besonders schweren Pflichtverletzungen kann es für den Arbeitgeber unzumutbar sein, diese hinzunehmen. Das Arbeitsgericht prüfte in dem Prozess, ob der Kläger vorsätzlich seiner Verpflichtung zur musikalischen Begleitung der Trauerfeier nicht nachgekommen ist und damit beharrlich seine Arbeitsleistung verweigert hat. 

Im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung kann das Arbeitsgericht nur dann von einem Vorsatz des Klägers ausgehen, wenn es aufgrund der äußeren Umstände zu der vollen Überzeugung gelangt, dass eine innere Tatsache in der Person des Klägers im Zeitpunkt des Fehlverhaltens vorgelegen hat.

Hier konnte die Kirchengemeinde keine äußeren Umstände vortragen, die mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ein vorsätzliches Handeln des Klägers belegen konnten. 

Trotz seines Fehlens, der Nichterreichbarkeit und des Ausbleibens einer Entschuldigung gegenüber den Angehörigen, stellte das Arbeitsgericht fest, dass ein vorsätzliches Fehlen höchstens wahrscheinlich ist, was nicht genügt, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Die Schilderung des Klägers, er habe aufgrund der parallelen Vorbereitung eines Kindermusicals die Trauerfeier schlicht und einfach vergessen, lässt sich nach Auffassung des Arbeitsgerichtes Lübeck nicht abstreiten. 

Das Verhalten des Klägers nach der Trauerfeier zeige das gestörte Verhältnis zwischen dem Kirchenmusiker und den für die Gemeinde handelnden Personen. Es ist aber nicht ausreichend, um von einem vorsätzlichen Fernbleiben des Klägers von der Trauerfeier ausgehen zu können.

Das Gericht bewertet sein Handeln als fahrlässige Pflichtverletzung, die als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gerade nicht ausreicht. Die Kirchengemeinde wurde zur Weiterbeschäftigung des Kirchenmusikers verpflichtet. pr

Rechtsanwältin Nadja Semmler, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Testamentsgestaltung in der Patchworkfamilie

Die Patchworkfamilie (meine Kinder, deine Kinder, unsere Kinder) ist als Familienform auf dem Vormarsch. Stiefkinder und der nicht verheiratete Partner haben weder ein Erb- noch ein Pflichtteilsrecht am Nachlass des anderen Stiefelternteils. 

Auf Grund gesetzlicher Erbfolge befinden sich dann häufig Geschwister, Neffen oder noch lebende Eltern und Großeltern in einer Erbengemeinschaft. Diese muss verwaltet und auseinandergesetzt werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt und Kosten verursacht.

Auch steht zum Beispiel der Hausrat nur bei gesetzlicher Erbfolge dem Ehegatten gesondert zu. Insbesondere muss der nichteheliche Lebenspartner durch ein Testament abgesichert werden, da er sonst gar nichts erhält. Allerdings sieht er sich dann in der Regel Pflichtteilsansprüchen der leiblichen Kinder des anderen Partners ausgesetzt.

Eine sinnvolle Gestaltung in diesem Fall ist der Abschluss eines korrespondierenden Pflichtteilsverzichtsvertrages. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass per Testament zugedachte geringere Erbteile unter den Pflichtteilsansprüchen liegen. 

Die nichtehelichen Lebenspartner haben zunächst zu klären, ob alle Kinder gleichbehandelt werden sollen oder dem gemeinsamen Kind der Vorzug zu geben ist. Möglich ist auch, die Einhaltung der Anordnungen im Testament durch eine Testamentsvollstreckung zu sichern.

Bei der Erbfolgegestaltung zu beachten ist darüber hinaus noch der Umstand, dass durch Schenkungen unter Ehegatten die sogenannte 10-Jahresfrist des § 2325 BGB nicht ausgelöst wird. Solche Schenkungen sind im Rahmen der Pflichtteilsergänzung immer zu berücksichtigen. 

Auch dem Erben stehen gegen den Pflichtteilsberechtigten Auskunftsansprüche zu. Der Pflichtteilsberechtigte hat Auskünfte über Zuwendungen nach § 2050 BGB ohne eine zeitliche Grenze zu erteilen. Diese Schenkungen ohne Anordnungserfordernis reduzieren dessen Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB). Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn kein Testament oder kein Erbvertrag errichtet worden ist.

Die gesetzliche Erbfolge ist ungeeignet für eine ausgewogene Erbfolge der Patchworkfamilie. pr

Rechtsanwältin Lu Neugaertner Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Rechtsanwaltskanzlei Neugaertner, Neugaertner & Neugaertner


Steuerpflichten im Erbfall

Die Steuerpflicht des verstorbenen Erblassers endet erst mit seinem Tod. Mit dem Erbfall gehen auch steuerliche Pflichten des Erblassers auf die Erben über, z.B.
-Abgabe der ausstehende Einkommensteuererklärungen des Verstorbenen
-Vorlage von angeforderten Belegen / Unterlagen beim Finanzamt,
- Zahlung der Steuerschulden des Verstorbenen. 

Zunächst ist zu prüfen, ob der Erblasser zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet war und für welche Zeiträume er die Steuererklärung abgegeben hat. Soweit die Abgabe noch nicht erfolgt ist, obliegt sie dem Erben. Fehlerhafte Steuererklärungen sind durch den Erben zu korrigieren.

Auch wenn der Erblasser nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet war, sollte geprüft werden, inwieweit eine Abgabe sinnvoll ist, um ggf. in den Genuss von Steuerrückzahlungen zu gelangen. Nach dem Tod des Erblassers hat der Erbe seinerseits Steuerpflichten, z.B. werden ihm die aus dem Nachlass herrührenden Einkünfte zugerechnet. 

D.h. Mieteinnahmen ab dem Erbfall hat der Erbe in seiner Steuererklärung anzugeben. Besteht eine Erbengemeinschaft so hat diese gegenüber dem Finanzamt zunächst eine gesonderte und einheitliche Feststellungserklärung für die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte abzugeben. Die einzelnen Miterben versteuern sodann nur die auf ihren Erbteil entfallenden Einkünfte.

Gem. § 30 ErbStG ist jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb vom Erwerber (= Erben) binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Gern unterstütze ich Sie und reiche auch die Erklärung für Sie beim Finanzamt ein. pr

Juliane Böhm Fachanwältin für Erbrecht und Verkehrsrecht, Neuruppin & Wittenberge


Schmerzensgeld für Angehörige, Fahrzeuginsassen und Unfallhelfer

Die deutsche Rechtsprechung war in der Vergangenheit äußerst zurückhaltend bei der Gewährung von Schmerzensgeldern Angehöriger oder Dritter. Dies wurde in der Vergangenheit damit begründet, dass Schmerzensgeldansprüche grundsätzlich nur dem unmittelbar Geschädigten zustünde. Andere europäische Staaten hatten in der Vergangenheit dem gegenüber nicht nur unmittelbar geschädigten Unfallopfern Schmerzensgeld zugesprochen, sondern auch Ehegatten, nahen Angehörigen bzw. Unfallhelfern. Diese rechtliche Beurteilung deutscher Gerichte hat sich nunmehr deutlich geändert.

Ausgangspunkt war insbesondere eine Vereinheitlichung der europäischen Rechtsprechung. Der Gesetzgeber in Deutschland hat nunmehr eine Regelung anderer europäischer Staaten übernommen, wonach ohne medizinischen Nachweis Ehegatten bzw. Verwandten eines getöteten ein sogenanntes „Hinterbliebenenschmerzensgeld“ zugesprochen wird. Angehörige müssen also jetzt nicht mehr ein medizinisches oder psychiatrisches Gutachten zum Nachweis darüber vorlegen, dass sie aufgrund des Verlustes eines Angehörigen Körper- und Gesundheitsschäden erlitten haben. Nach alter Rechtsprechung galt die „Trauer“ nicht als Krankheit und dementsprechend gab es für Angehörige kein Schmerzensgeld. Nach der aktuellen Gesetzlage hat sich dies glücklicherweise geändert. 

Bei nahen Angehörigen wird also ein Hinterbliebenenschmerzensgeld zugesprochen, wobei die Höhe dieses Schmerzensgeldes gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Nach aktueller Rechtsprechung bestehen Ansprüche in einer Größenordnung von mehr als 6.000,00 Euro für jeden nahen Angehörigen.

Sofern neben dem Verwandtschaftsverhältnis darüberhinausgehend eine besonders enge persönliche Beziehung nachgewiesen werden kann, werden aber auch weitaus höhere Schmerzensgeldansprüche zugesprochen. Dies gilt dann nicht nur für Verwandte, sondern auch für Lebenspartner und andere Personenkreise. Bemerkenswert ist eine weitere aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes, die zu dem Ergebnis kommt, dass beispielsweise auch Helfer am Unfallort unter erleichterten Voraussetzungen Schmerzensgeldansprüche haben. Mit Urteil vom 06. Dezember 2022 Aktenzeichen VI ZR168-21 hat der Bundesgerichtshof die Ungleichbehandlung von körperlichen und seelischen Schäden erfreulicherweise aufgegeben. 

Rechtsanwalt Wellßow-Gollan ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht und vertritt seit über 25 Jahren Geschädigte zur Durchsetzung ihrer Ansprüche. Nutzen Sie die Möglichkeit einer kurzfristigen, direkten, telefonischen Kontaktaufnahme unter 03391 / 512 68 18. pr

Jan Wellßow Gollan, Rechtsanwalt sowie Fachanwalt Verkehrsrecht
16816 Neuruppin