Die Eheleute haben ein gemeinsames Haus. Scheitert die Ehe, sind die Mittel oft nicht da, um das Haus als Alleineigentümer zu übernehmen. Eher selten sind die Fälle, wo beide Ehepartner Alleineigentümer werden wollen und dazu finanziell in der Lage sind. Gar nicht so selten sind hingegen die Fälle, in denen ein Ehegatte in der Immobilie bleibt und sich jeder einvernehmlichen Lösung widersetzt. Der Grund hierfür liegt einerseits im Wohnkomfort, aber noch häufiger in der Schwierigkeit, bezahlbaren Wohnraum in akzeptabler Lage zu finden. Wenn die Blockadehaltung zum Dauerzustand wird, bleibt dem Ehegatten als Miteigentümer nur die Teilungsversteigerung bei Gericht. Dabei kommt das ganze Haus unter den Hammer. Für die Ehewohnung sind die Hürden einer Teilungsversteigerung jedoch hoch. Es gilt der besondere Schutz der Ehewohnung.
Einzelne Gerichte haben die Versteigerung vor der Scheidung per se für unzulässig gehalten (OLG Hamburg, Beschluss vom 28.07.2017-12 UF 163/16). Andere haben weniger strenge Maßstäbe angelegt. So sieht es nun auch der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 16.11.2022-XII ZB 1 00/22). Es kommt auf den Einzelfall an. Kriterien wie Dauer der Trennung, Kinder und wirtschaftliche Situation sind zu berücksichtigen. Die Verzögerung der Scheidung kann sich also immer noch auszahlen. Haben die Eheleute keinen Ehevertrag und stellt ein Ehegatte einen Antrag auf Versteigerung, muss er noch etwas beachten: Solange der Hausanteil quasi das gesamte Vermögen darstellt, kann er die Versteigerung nur mit Zustimmung des anderen starten. Da diese nicht freiwillig erteilt werden wird, muss das Familiengericht sie ersetzen. Alternativ kann drei Jahre nach der Trennung der Güterstand der Zugewinngemeinschaft vorzeitig beendet werden. Das löst die Fessel Verfügungsbeschränkung. Solche zusätzlichen Verfahren nehmen aber weitere Zeit in Anspruch. Bis das gemeinsame Haus zu Geld gemacht ist, kann es also dauern.
Dr. Christoph Schäfer, MBA
Fachanwalt für Familienrecht bei Fachkanzlei wendelmuth Rechtsanwälte.
Top Kanzlei 2021 und 2022 im Familienrecht It. Magazin Stern.
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Erbrecht: Sinn und Zweck der Pflichtteilsergänzung
Der Pflichtteil eines Pflichtteilsberechtigten bemisst sich grundsätzlich aus dem Wert des am Todestag vorhandenen Nachlassvermögens. Die gesetzlichen Vorschriften über die Pflichtteilsergänzung sollen daher verhindern, dass der Erblasser sein Vermögen durch lebzeitige Schenkungen schmälert und damit das Pflichtteilsrecht seiner nächsten Angehörigen aushöhlt. Der Schutz wird vom Gesetz in der Weise gewährt, dass lebzeitige Schenkungen des Erblassers unter bestimmten Voraussetzungen dem vorhandenen Nachlass bei der Pflichtteilsberechnung wertmäßig hinzugerechnet werden. Dies führt für den Pflichtteilsberechtigten zu einer Art „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“. Ohne diesen Schutz könnte das Pflichtteilsrecht durch lebzeitige Schenkungen zu leicht umgangen werden und liefe häufig weitgehend ins Leere.
Der Schutz des Pflichtteilsberechtigten ist jedoch sachlich und zeitlich begrenzt. Berücksichtigt werden grundsätzlich nur Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall vorgenommen hat. Hiervon gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmen, welche sich erheblich auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch auswirken können. Beispielsweise läuft die Zehnjahresfrist bei Schenkungen unter Eheleuten regelmäßig nicht an. Gegen die Übertragung von Vermögensgegenständen, für die der Erblasser jedoch eine gleichwertige Gegenleistung erhält, ist der Pflichtteilsberechtigte allerdings nicht geschützt, selbst wenn die Gegenleistung zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits vollständig verbraucht ist. In jedem Falle empfiehlt es sich dringend, für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um so zu gewährleisten, dass meist aus Unwissenheit heraus berechtigte Ansprüche gegenüber dem Erben gar nicht geltend gemacht werden.
Der Verfasser,
Herr Rechtsanwalt
Thomas Brehmel,
zugleich Fachanwalt für Erbrecht,
ist Sozius der Rechtsanwaltskanzlei Mauersberger & Kollegen,
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