Auch wenn man sich mit dem Erbrecht nicht so gut auskennt, vom Pflichtteil hat schon (fast) jeder einmal etwas gehört. Zudem bietet das Internet auch eine Fülle von Informationen zum Thema Erben und Vererben. Misslich ist nur, dass die Informationsflut häufig zu einem falschen Verständnis führt und somit die Gefahr besteht, dass im Erbfall Ansprüche nicht richtig geltend gemacht oder abgewehrt werden. Auch gibt es immer wieder Mandanten, die berichten, dass Kinder schon lebzeitig, sich ihr künftiges Erbe“ einfordern wollen oder glauben, später einen Anspruch auf ein Erbe zu haben. Nichts dergleichen stimmt jedoch. Ob Kinder einmal erben, entscheiden Erblasser stets selbst. Jeder hat das Recht, durch ein Testament seinen Erben selbst auszusuchen. Enterbt der Erblasser seinen Ehepartner oder Abkömmling, was grundsätzlich möglich ist, so können die Enterbten als Ausgleich allenfalls den sog. Pflichtteil verlangen, vorausgesetzt, der Nachlass ist nicht überschuldet. Der Pflichtteil umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein Geldanspruch. Hat der Erblasser zu Lebzeiten den Großteil seines Vermögens verschenkt und verstirbt nahezu vermögenslos, ist zu prüfen, ob sich aus diesen sog. lebzeitigen Verfügungen eventuell zusätzliche Ansprüche, sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche ergeben.
In diesem Zusammenhang ist noch ein weiterer Fall denkbar: Wird ein Abkömmling mit einer ganz geringen Quote als Erbe eingesetzt (z. B. 1/10), so kann diese Konstellation dazu führen, dass dieser Erbe dann vermeintlich weniger erhält, als im Fall einer Enterbung bei Durchsetzung des Pflichtteils. Diese Erben sollen dann bis zur Höhe des Pflichtteils eine Aufstockung, den sogenannten Zusatzpflichtteil erhalten. Schon zu Lebzeiten nutzen Erblasser gestalterische Möglichkeiten aus, um zu erreichen, dass Abkömmlinge, zu denen kein oder nur ein schlechter Kontakt besteht, einen möglichst geringen Pflichtteil erhalten. Ein legitimes Recht, dennoch sind derartige Verträge im Erbfall sodann besonders gründlich zu prüfen. Die Durchsetzung bzw. Abwehr Pflichtteilsansprüchen von gehört zu einer der Kernaufgaben von Fachanwälten für Erbrecht. Jeder Fall ist speziell und immer wieder wird geschummelt“. Hinzu gern kommt dann noch eine verfahrene Familiensituation, emotionale Aspekte, die bei der Bearbeitung eines Mandats zu berücksichtigen sind. Aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeiten, die beim Eintritt eines Erbfalls entstehen können, wird unbedingt die Einholung anwaltlicher Unterstützung angeraten.
Auch in diesem Jahr finden wieder die Brandenburger Erbrechtsabende statt. Die nächste Veranstaltung findet am 28.06.2023 um 18.00 Uhr im Vitalis, Kirchhofstr. 3-7, 14776 BRB zu der Thematik „Enterben und Pflichtteil“ statt. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Eine telefonische Anmeldung ist erforderlich 03381/22 72 99.
Silke Schaffer-Nitschke
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht