Sieben Jahrzehnte Kegelsport in Fehrbellin- Ein Blick in die Vereinschronik

70 Jahre SV Fehrbellin e.V.

Sieben Jahrzehnte Kegelsport in Fehrbellin- Ein Blick in die Vereinschronik

Vom Volkssport zum Präzisionssport: Der SV 90 Fehrbellin kämpfte bereits in allen Ligen um den Sieg auf den Bahnen / Zahlreiche Erfolge und Aufstiege verzeichnete der Verein aus der Rhinstadt

In diesem alten Wirtshaus versteckte sich ebenfalls eine Kegelbahn. Fotos: Verein

07.12.2021

Kegelklubs und Kegelbahnen gab es im 19. Jahrhundert in beinahe jeder Stadt, fast immer bei oder in der Nähe eines Wirtshauses. Bis heute ist nicht ganz klar, wo sich Fehrbellins erste Kegelbahn befunden hat. In der Gaststätte „Deutsches Haus“ (Berliner Str.1) soll bereits 1865 eine Kegelbahn vorhanden gewesen sein. Die zweite Anlage - mit jedoch nur einer Bahn - stand hinter der ehemaligen Gaststätte „Prinz von Homburg“ (Berliner Straße 75).Die Kugeln waren damals übrigens doppelt so groß wie heute. Noch größer also, als moderne Bowlingkugeln. Sie waren aus Hartholz. Ein Exemplar befindet sich im Besitz der Sektion Kegeln des SV 90 Fehrbellin. Im „Gasthof zur Stadt Berlin“ in der Berliner Straße 38 gab es eine weitere Kegelbahn.Die vierte Anlage wurde in der Gaststätte „Stadt Magdeburg“, der Wirtsleute Soost, in der Berliner Straße 80 gebaut. Im Jahr 1929 wurde die damals moderne Kegelhalle an den Tanzsaal angebaut. Die zwei Bahnen lagen ungefähr einen Meter tiefer als der Saal. Während des zweiten Weltkrieges wurde die Bahnanlage als Getreidespeicher genutzt, nach dem Krieg aber wieder dem Kegelsport zugeführt.

■ 1951- 1960

Auf der Kegelbahn Soost fand die Gründungsversammlung der Sparte Kegeln der damaligen Betriebssportgemeinschaft „Fortschritt Fehrbellin“ statt. Zu verdanken haben die Kegler ihr 70 jähriges Bestehen Fehrbellinern wie Ernst Josep, Fritz Niese und Otto Pischel, die unter der Leitung von Walter Kuhfeld am 9. November 1951 die Sektion Kegeln gründeten.

Trainingstag war Mittwoch, die Kegel mussten noch von Hand aufgestellt werden. Am 11. November 1953 kam es in der 2. Kreisklasse zum ersten Punktspiel zwischen Fehrbellin und Medizin Neuruppin. Es endete 3289:3261 Holz. Für die siegreichen Fehrbelliner spielten seinerzeit Richard Schöbel (549), Ernst Josep (557), Otto Pischel (555), Alfred Bethke (562), Franz Gelineck (521) und Franz Volkmer (545). Drei Jahre später wurden die Fehrbelliner Männer erstmals Kreismannschaftsmeister.

Das erste Protokoll eines Frauentrainings stammt vom 17. Oktober 1953. Unter den Frauen, die an diesem Donnerstag kegelten waren unter anderem Ingeborg Goepfert, Hedwig Becker und Gisela Soost.

■ 1961- 1970

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2007 konnte das erste Herren-Sextett als Staffelsieger der 2.Bundesliga Süd/Ost den Aufstieg in die 1.Bundesliga feiern.

Am 4. Juli 1962 wurde das gemeinsame Kegeln der Frauen und Herren eingeführt. Auch in der Jugendarbeit zeigten sich erste Erfolge. So wurde Joachim Böhm 1960 Vizekreismeister. Mitte der 60er Jahre spielten in der Fehrbelliner Jugendmannschaft unter anderem Klaus Köhn, Bernd Graf und Dieter Kränzlin. Beste Holzsammlerin bei den Frauen wurde Ingeborg Goepfert. Sektionsleiter Walther Kuhfeld gab nach 17 Jahren altersbedingt die Leitung der Sektion am 4. April 1968 an Werner Meyer ab. Und auf der Kegelbahn sollte Ende der 60er Jahre der Fortschritt einziehen. Kegelaufstellvorrichtungen mit selbsttätigen Kugelrücklauf und elektrischer Anzeigevorrichtung und 1a Turnierkegel wurden durch eine Warnemünder Firma eingebaut. Übrigens wurden dadurch die Kegelaufsteller arbeitslos, die im Jahr 1969 noch 670 Mark erhielten.

■ 1971- 1980

Im Jahr 1971 hatte die Sektion Kegeln der BSG Fortschritt Fehrbellin 23 Vereinsmitglieder. Die Mitgliederzahl erhöhte sich bis zum Ende der 70er Jahre auf 38 Spieler. In der Saison 1973/74 spielten bereits drei Herren- und eine Damenmannschaft um die Punkte. Eine Jugend- und eine Schülermannschaft gab es auch. In der Saison 1976/77 holten die Rhinstädter den Kreismeistertitel, stiegen in die Bezirksklasse auf. Auch die Jugend holte den Titel nach Fehrbellin.

Kreiseinzelmeister wurden René Ruppin (Jugend B), Karin Lange, Norbert Krämer (Jugend A), Ingeborg Goepfert (Frauen B) und Klaus Köhn (Herren). Der größte Erfolg in diesem Jahrzehnt gelang Jugendspieler Norbert Krämer. Im Jahr 1977 wurde er DDRMeister im Mehrkampf (Kegeln, vier Leichtathletikdisziplinen). Die Frauen mit Helga Wilde, Ingeborg Goepfert, Brigitte Burmann, Hildegard Kikel, Elfriede Wojack und Renate Nußbaum schnupperten im Jahre 1980 Bezirksklassenluft. Höhepunkt des Jahrzehntes war der Neubau der Kegelhalle auf dem „Plakotex-Gelände“ in Zusammenarbeit mit dem VEB Plakotex, weiteren ortsansässigen Betrieben, der Stadt Fehrbellin und der BSG Fortschritt Fehrbellin. Am 1. April 1980 wurde dazu die Baugrube ausgehoben.

■ 1981- 1990

Am 6. Oktober war es dann so weit. Die Fehrbelliner Kegler weihten ihre neue Sportstätte mit einer Vierbahnanlage, Umkleideräumen und Sanitärtrakt ein. Durch die neue Anlage wurde der Kegelsport immer beliebter. Bei so manchem Brigadeabend wurde eine „ruhige Kugel“ geschoben. Voranmeldungen von bis zu einem halben Jahr waren die Regel.

Mitte der 80er Jahre waren vier Herren- und zwei Damenmannschaft am Start. Spielten Anfang der 80er Jahre Bernd Graf, Helmut Kaminski, Werner Meyer, Christian Nußbaum, Dieter Wilde und Peter Wolski im ersten Team, standen Ende der 80er Jahre Klaus Köhn, Jürgen Melzer, Christian Nußbaum, Norbert Krämer, Eckhard Fiedler, Rüdiger Maresch und Wolfgang Hegert auf den Spielberichten. Sektionsleiter Werner Meyer gab 1982, nach 14 Jahren, seinen Vorsitz an Reiner Wojack ab.

Die Fehrbelliner Jugend schaffte den Sprung in die Bezirksliga. Hier spielten Ralf Friedrich, Michael Nußbaum, Guido Katschke. Ende der 80er Jahre wurde die Nachwuchsarbeit weiter ausgebaut. Zwei Jugend- und zwei Schülermannschaften spielten im Fehrbelliner Trikot erfolgreich auf Kreis- und Landesebene. In den Jugendmannschaften kegelten u.a. Marco Koch, Marcel Bornholm, Jens Köhn, René Scholz, Andreas Schubert, Carsten und Gordon Pieler sowie André Scholz.

Die Wendejahre brachten auch für die Kegler gravierende Veränderungen. Aus Fortschritt Fehrbellin wurde der Sportverein 90 Fehrbellin.

■ 1991- 2000

Anfang der 90er Jahre brach die Jugendarbeit komplett ein. Auch im Erwachsenenbereich ging die Mitgliederzahl stark zurück. Grund waren die Wendejahre sowie die ungeklärten Eigentumsverhältnisse und die Verpachtung der Sportstätte. Am 29. Oktober 1993 wählten 35 Sektionsmitglieder Peter Wolski zum Sektionsleiter. Mit einem starken Vorstand im Rücken wurde neu angefangen. Bereits einen Monat später wurde eine Schank- und Speisewirtschaft beim Amt Fehrbellin beantragt um Mittel zu erwirtschaften. Durch die Schließung des Betriebes war nicht einmal eine Heizungsanlage vorhanden. Jahr für Jahr wurde jede erwirtschaftete Mark in das Gebäude gesteckt. Trotz ungeklärter Eigentumsverhältnisse wurden bis Ende 1998 sämtliche Räume aus eigener Kraft saniert. 90 000 Mark betrug die Investition.

Nachdem die Stadt Fehrbellin Anfang des Jahres 1999 Eigentümerin der Kegelhalle wurde, konnte im Juli ein Erbbaupachtvertrag zwischen dem Verein und der Stadt abgeschlossen werden. Damit wurde der Weg frei, die zwanzig Jahre alte Kegelbahntechnik zu ersetzen.

Dazu musste die Sektion erstmals ein Darlehen aufnehmen. Das Herzstück der 70.000 DM teuren Kegelbahn wurde noch im selben Jahr eingebaut und nach drei Monaten täglicher Arbeit am 28. August eingeweiht. Vom Landessportbund gab es 15000 DM Fördermittel.

In Zusammenarbeit mit der Stadt konnten die Kegler jetzt auch die Außenanlage und die Außenhaut der Kegelhalle modernisieren. Es wurden Zuwege und Parkplätze neu angelegt und bepflanzt. Hatte das Gebäude laut Gutachten beim Kauf im Jahre 1993 einen Wert von knapp 100 000 Mark so lang der Neuwert im Jahr 2006 bei 700 000 Euro. Die 90er konnten aber nicht nur gut mit dem Handwerkszeug umgehen, auch die Kegelkugel rollte erfolgreich in diesem Jahrzehnt. Anfang der 90er Jahre spielten drei Herren- und eine Damenmannschaft um die Punkte. Klaus Köhn, Norbert Krämer, Karl-Heinz Dziamski, Hans-Jürgen Melzer, Wolfgang Hegert und Eckhard Fiedler waren für den SV90 Fehrbellin in der Landesliga unterwegs. Die Damen spielten in der Bezirksliga mit dem Stammsechser Helga Wilde, Elfriede Wojack, Ruth Scholz, Renate Nußbaum, Doreen Nußbaum und Martina Rothe. Leider konnten beide Mannschaften dieses Niveau nur ein paar Jahre halten und mussten dann auf die Kreisebene absteigen. 1996 wurden die Herren wieder Kreismeister und der Höhenflug begann. Im Jahr 1999 gelang der ersten Herrenmannschaft der Sprung in die erste Landesklasse. Durch den Heimkehrer Klaus Köhn, der zwischenzeitlich das Trikot des Bundesligisten Motor Hennigsdorf trug, war sogar noch mehr zu erreichen. Auch die Frauenmannschaft kehrte nach fünfmaligem Gewinn des Kreismeistertitels endlich wieder auf die Landesebene zurück.

So wuchs die Sektion weiter an. Sechs Herren- und drei Damenmannschaften sowie 24 Jugendliche sorgten dafür, dass die Mannschaften mit 74 Mitglieder zur zweitgrößten Sektion im Verein wurden.

Zahlreiche Erfolge konnten gefeiert werden und eine Vielzahl von Kreismeistertiteln wurden erspielt. Sabrina Heinzgen, Renate Nußbaum, David Krämer und Alexander Wolski gewannen in ihren Altersklassen die Landesmeisterschaft. Regelmäßig spielten 90er in der Landesauswahl beziehungsweise starten bei den deutschen Meisterschaften. Höhepunkte waren 1999 der Gewinn der deutschen Meisterschaft von Christof Pietrus/ Alexander Wolski (männliche B-Jugend Doppel) in Bremerhaven sowie im nächsten Jahr der 3. Platz im Mix von Sabrina Heinzgen/Alexander Wolski in Hagen.

■ 2011-2021

Auch das letzte Jahrzehnt war bis zur Corona-Pandemie weiter erfolgreich. In der 1. Bundesliga waren die Herren I mehrmals nahe an einem zweiten Titelgewinn, sieben mal deutscher Vizemeister. In der Saison 2019/20 lag man bis zwei Doppelspieltage vor Saisonende auf Rang eins, dann kam auf Grund der Pandemie der Saisonabbruch.

Auch die Herren II spielten erfolgreich um die Hölzer. 2017 wurde das Sextett um Kapitän Norbert Krämer brandenburgischer Meister. In Delmenhorst konnte man dann den Aufstieg in die 2. Bundesliga erkämpfen. Damit waren die 90er der erste Verein aus den neuen Bundesländern der zwei Mannschaften in der Bundesliga hatte.

Aber auch die Damen kegelten mit Erfolg. Das erste Team mit Sissy Wianke, Meike Erdmann, Kathrin Hildebrandt und Manuela Dreßler kämpft seit Jahren in der Landesliga um die Punkte. Zahlreiche weitere Siege in den unteren Klassen rundeten das gute Auftreten der 90er ab. Der größten Einzelerfolg gelang im Jahre 2012 Sebastian Krause in Kopenhagen.

Hier gewann er bei den Herren den Europacup. Der deutsche Meistertitel im Herren-Doppel von Dirk Sperling/Daniel Neumann (2017) konnte sich ebenfalls sehen lassen. Gleichermaßen stark spielten im Behindertensport das Ehepaar Peter und Eva Kindermann. Sie wurden jeweils Abo-Sieger bei den deutschen Titelkämpfen.

Sogar das Fernsehen war nun regelmäßig in der Rhinstadt zu Gast. Sender wie ARD, ZDF, rbb, RTL und ntv 24 berichteten über den Fehrbelliner Kegelsport.

Zum bisher letzten mal am 13./14. August 2016, als neun Herren (Benjamin Münchow, Alexander Wolski, Nico Witter, Marco Koch, Sebastian Krause, Tim Ladenthin, Daniel Neumann, Dirk Sperling, Dietmar Stoof) und drei Damen (Dana Vatter, Sissy Wianke, Kathrin Hildebrandt) mit 49392 erspielten Kegeln in 24 Stunden einen neuen Guinness World Records zur Feier des 800 jährigen Stadtrechts Fehrbellins aufstellten.

Aufgrund der zahlreichen sportlichen Erfolge gab es natürlich viele Auszeichnungen. So konnte 2011 in Kassel Peter Wolski die Ehrung „Trainer des Jahres“ entgegennehmen.

Drei Jahre später folgte in Potsdam der Gewinn eines „Kleinen Stern in Silber“. Von 2006 bis 2014 konnte man bereits sechsmal auf Kreisebene den „Sterne in Bronze“ bejubeln. 2019 gab es dann wieder eine Auszeichnung in der Landeshauptstadt. Die Herren I wurde bei der Sportlerwahl im Mannschaftswettbewerb Dritter. Die letzte Auszeichnung, bereits in der Corona-Pandemie, gab es dann für die Fehrbelliner Kegler in Rheinsberg durch den Landrat für die beste Integrationsarbeit.

Dann kam Corona. Seit März 2020 ruht der Kegelsport nun schon. Alle hoffen darauf, dass der Sportalltag wiederkehrt.

Schließlich wollen die 90er ihre beeindruckende Bilanz weiter ausbauen. Seit 1999 konnte man zwei internationale Titel, 18 deutsche Meistertitel, 30 mal die deutsche Vizemeisterschaft und 19 mal die Bronzemedaille erkämpfen. Die 2006 gegründete Behindertensportabteilung war ebenfalls sehr erfolgreich. So konnten bei den deutschen Titelkämpfen insgesamt 7 Gold-, 5 Silber- und 2 Bronzemedaillen im Einzel und in der Mannschaft erkämpft werden.
   

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