Von Berlin gen Westen geblickt, nimmt der närrische Trubel im Landkreis Havelland zu, je weiter westlich es geht. Tatsächlich kann ab Nauen vom karnevalistischen HVL-Hotspot gesprochen werden. Aber wo nahm die Geschichte ihren Anfang?
Die Fusion zum Landkreis Havelland jährt sich im Dezember 2023 zum 30. Mal. Bis dahin waren Nauen und Rathenow zwei eigenständige Kreise mit den Kreisstädten gleichen Namens in der jeweiligen Mitte. Man sollte meinen, dass der Karneval von dort in realsozialistischen Zeiten ausstrahlte. Denn der Rathenower Carnevals Club (RCC) stellt immerhin eine Gründung des Jahres 1967 dar, der 1964 gegründete Nauener Karnevals Club (NKC) ist noch drei Jahre älter. Dort heißt es nun: „60 Jahre NKC, die Rente ist nah, nicht für uns, das ist doch klar“. Ebenso so alt ist der Carneval Pessiner Club (PCC), bei dem die Jubiläumssaison mit den Worten überschrieben ist: „Seit 60 Jahr'n die große Show - mit Euch geht es weiter so“.
Pessin, heute eine Gemeinde im Amt Friesack, gehörte wie die Stadt Friesack selbst bis Ende 1993 zum Kreis Nauen. In die nahe Fliederstadt geblickt, zeigt sich die wahre närrische Quelle. Denn hier hieß es in der Vorsaison: „70 Jahre, welch ein Jubel - Friesack lebt im Faschingstrubel!“.
Über den geistigen Ursprung des Friesacker Karneval Clubs (FKC) steht in der Vereinschronik: „Es war an einem Abend bei unserem Wirt Max Pelz in der Gaststube. Karl Lohmer, Max Pelz, Kurt Röder und Karl Rummel saßen in gemütlicher Runde beisammen, tranken Bier und spielten Skat. Über Gott und die Welt wurde geredet. Unter anderem auch über das bunte Treiben des Mainzer und Kölner Karnevals. So kam es, dass man sich Gedanken darüber machte, ob man nicht auch in Friesack solch eine Prunksitzung durchführen sollte.“ Diese Idee ist 1953 Wirklichkeit geworden.
Friesack, Pessin und Nauen bilden zusammengenommen die Keimzelle des havelländischen Karnevals. Von dort sprang offenbar der Funke in den Kreis Rathenow über. In und um Rathenow ist die närrische Dichte längst ebenso hoch, da neben dem RCC zwei andere Vereine in unmittelbarer Nachbarschaft bestehen. Die Geschichte des Premnitzer Carnevalsclubs (PCC) reicht ins Jahr 1980 zurück. Der Buckower Carnevalsverein (BCV) in der Gemeinde Milower Land feierte in der Vorsaison sein 40-jähriges Bestehen.
Dieses Jubiläum konnte im Amt Nennhausen auch der Garlitzer Carneval Club (GCC) begehen. Indessen stellt der Falkenseer Karnevals Klub (FKK) die jüngste Gründung und die einzige in Zeiten des Landkreises Havelland dar. Er wurde im Jahr 2000 aus der Taufe gehoben.
Bis auf die Leute vom GCC in Garlitz stellt der 11. November für das närrische Volk einen Pflichttermin bei Ortsoberen dar, wo die Herausgabe der Stadt bzw. Dorfschlüssel gefordert und die „Prinzenpaare“ inthronisiert werden. Bei diesem Begriff ist zwar klar, was gemeint ist, doch gendergerecht war er noch nie.
Ein aus Prinzessin und Prinz bestehendes Paar bilden etwa Isabell I. und Tobias I. beim Buckower Carnevalsverein. Ihre Inthronisierung erfolgt neben der Kleinen Grundschule in Großwudicke. Das Motto der 41. Saison lautet: „Setzt die Narrenkappe auf und macht tüchtig einen drauf!“. Es gibt kostenlosen Glühwein, Süßigkeiten und Pfannkuchen. Glückspilze gewinnen dort Freikarten für eine der Prunksitzungen, die am 27. Januar sowie 3. und 10. Februar im BCV-Vereinshaus stattfinden. Zudem gibt es eine Sitzung speziell für Senioren (28. Januar) sowie eine Weiberfastnacht (8. Februar). Es besteht kostenloser Busshuttle von und nach Rathenow.
Der BCV gehört zu den Vereinen, die eine Delegation zur überregionalen Fremdensitzung des Rathenower Carnevals Clubs entsenden. Veranstaltungstag ist der 2. Dezember, also der Samstag vor dem 1. Advent. Die Sitzung findet im Kulturzentrum statt und beginnt um. 18.00 Uhr. RCC-Präsident Mario Lienig lagen bis Donnerstag bereits 15 Zusagen vor, erhofft sind 20. Zugesagt haben neben den Buckowern auch die Friesacker, Pessiner und Premnitzer. Viele Vereine wollen sich auch am närrischen Umzug beteiligen, der sich am 2. Dezember, ab 15.30 Uhr, durch die Rathenower Innenstadt bewegt. Von René Wernitz