Das Bundesarbeitsgericht hatte sich jüngst mit dem Fall eines Auslieferungsfahrers zu befassen. Dieser hatte ein Einzelhandelsunternehmen auf Zahlung von Überstunden verklagt, die das Unter-nehmen vor Gericht bestritt. Die vom Unternehmen bereitgestellte technische Anwesenheitserfassung erlaubte dem Fahrer keine Eintragung von Pausen, weshalb es keine Arbeitszeiterfassung im Sinne des EuGH gab.
Daraufhin verurteilte das Arbeitsgericht Emden den Arbeitgeber zur Zahlung der streitigen Überstunden. Denn er war nach Ansicht des Arbeitsgerichts zur Erfassung der Arbeitszeiten verpflichtet, und zwar auf der Grundlage von § 618 BGB, der in europarechtskonformer Weise auszulegen sei. Diesen Anforderungen entsprach das Erfassungssystem von Arbeitszeiten beim Arbeitgeber nicht. Daher lag die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer die streitigen Überstunden nicht geleistet hatte, beim Arbeitgeber.
In der Berufung entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen anders herum und wies die Klage überwiegend mit der Begründung ab, dass der Fahrer nicht konkret vorgetragen bzw. nicht bewiesen habe, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, geduldet, nachträglich gebilligt oder jedenfalls zur Erledigung der Arbeit notwendig gewesen seien. Die Darlegungs- und Beweislast dafür lag beim Kläger, so das LAG. Das BAG wies in seiner Revision die Klage ebenfalls zurück (Urteil vom 04.05.2022, 5 AZR 359/21).
Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG: An der bislang gültigen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess um die Bezahlung von Überstunden ändert sich nichts. Daher hatte das LAG die Zahlungsklage zurecht abgewiesen, so das BAG. Denn der Kläger hatte nicht genau genug vorgetragen, dass es erforderlich war, ohne Pausen durchzuar-beiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Das hatte er nur pauschal behauptet, d.h. ohne genauere Beschreibung des Umfangs seiner Arbeiten. Das war zu wenig, so das BAG.
Praxishinweis: Für Arbeitnehmer, die die Bezahlung von Über-stunden gerichtlich durchsetzen wollen, gilt daher wie bisher: Sie müssen vortragen und im Falle des Bestreitens beweisen, dass der Arbeitgeber die Über-stunden im Einzelfall angeordnet, gekannt und geduldet hat. Zumindest müssen die Überstunden betrieblich notwendig gewesen sein, d.h., es muss feststehen, dass die Arbeit nur mit den streitigen Überstunden zu schaffen war. Auch sollten Arbeitnehmer, die Stundenzettel führen und zur Abrechnung dem Arbeitgeber vorlegen, diese stets als Kopie bei ihren Unterlagen aufbewahren.
Jana Schulze Rechtsanwältin