Bewerben, das ging lange Zeit so: Zeugnisse raussuchen, Lebenslauf aktualisieren und ein möglichst kreatives und charmantes Anschreiben formulieren. Abschicken. Und hoffen, den Chef oder die Personalabteilung damit überzeugt zu haben. Das Prozedere ist heute meistens gleich. Doch bevor ein Vorgesetzter die Bewerbung zu Gesicht bekommt, muss manchmal erst mal der Computer überzeugt werden. Denn: Künstliche Intelligenz (KI) ist auch in diesem Bereich unseres Arbeitslebens auf dem Vormarsch. „Theoretisch kann KI den kompletten Recruiting-Prozess allein durchführen“, sagt Annika von Mutius, Gründerin eines HR-Tech-Startups, das KI-basierte Lösungen anbietet. „Die KI findet heraus, wie der ideale Bewerber für die Stelle aussieht, wie potenzielle Bewerber erreicht werden können, wie sie angesprochen werden wollen.“
Und: KI kann auch die Kommunikation übernehmen. „Ein Roboter kann Bewerbern gut typische Fragen beantworten“, sagt Kai Helfritz von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP). Wie viele Urlaubstage bietet das Unternehmen? Gibt es ein gratis Nahverkehrsticket? Antworten hat ein KI-getriebener Chatbot.
Ist die Bewerbungsfrist abgelaufen, filtert KI die besten Bewerber aus den Unterlagen. Sie könnte sogar Vorstellungsgespräche führen, Mimik und Gestik des Gegenübers analysieren und schlussendlich eine Entscheidung fällen. Theoretisch zumindest. Aber das ist dann doch eher visionär.
Üblicherweise wird die KI derzeit nur in Teilbereichen des Recruitings eingesetzt. Besonders bewährt ist sie im Sourcing und Screening. „Sourcing bedeutet: Wen will ich mit meiner Stellenanzeige ansprechen und wie spreche ich ihn an? Screening kommt im nächsten Schritt zum Einsatz“, erklärt Annika von Mutius. Hier geht es um die Auswahl, sobald die Bewerbungen eingetroffen sind. Meistens handelt es sich dabei um eine Vorselektion, deren Ergebnis dann auf dem Tisch der Personaler landet.
So sollte die ideale Bewerbung aussehen
Die große Frage: Wie fallen Bewerber der KI positiv auf? Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rät, Schlüsselwörter aus der Stellenanzeige in das Anschreiben aufzunehmen: „Formulieren Sie präzise, aktiv und untermauern Sie Ihre Aussagen mit konkreten Beispielen.“ Mit dieser Taktik machen Bewerber auf keinen Fall etwas falsch. Denn: „Direkt zum Punkt kommen und nicht zu verspielt formulieren, das ist in Bewerbungen ohnehin eine gute Idee“, so Weber. „Die Anzahl relevanter Informationen im Verhältnis zum Gesamttext sollte möglichst hoch sein.“ Kai Helfritz von der DGFP rät: „Schreiben Sie in einfachen Sätzen, gliedern sie die wichtigen Informationen gut. Unter Umständen sind sogar Stichpunkte sinnvoll.“ Annika von Mutius empfiehlt, sich in der Beschreibung der eigenen Fähigkeiten nicht zu sehr auf bewältigte Aufgaben zu fokussieren, sondern darauf, was man dabei gelernt hat. Sie rät sogar Persönliches zu teilen, Wertvorstellungen etwa.
Was will die Kl wirklich sehen?
Der Leitfaden der Experten ist nachvollziehbar. Aber was die KI gut findet, muss vor allem eine wissen: die KI selbst. Deshalb wurde ChatGPT folgende Frage gestellt: Wie sollten BU aussehen, damit sie einer KI positiv auffallen?“ Das Programm ist mit den Antworten von Mutius, Helfritz und Weber einverstanden - und hat noch weitere Tipps: „Vermeiden Sie Bilder und Grafiken, denn diese könnten schlecht ausgelesen werden.“ Und: „Verwenden Sie gängige Dateiformate wie Word oder PDF, die von KI-Systemen gut verarbeitet werden können.“ Auch ChatGPT gibt dem Fragenden mit auf den Weg: „Denken Sie daran, dass KI-Systeme nicht nur nach Schlüsselwörtern suchen, sondern auch nach Mustern und Kontext. Daher ist es wichtig, Ihre Bewerbungsunterlagen sowohl für KI-Systeme als auch für menschliche Leser ansprechend zu gestalten.“
Welche Folgen hat der Einsatz von KI?
Was aber machen datengetriebene Personalentscheidungen mit unserer Arbeitswelt? Nimmt Diskriminierung zu? Oder vielleicht sogar ab? „Ein KI-Verfahren im Bewerbungsprozess ist per se kein Vor- oder Nachteil für den Bewerber“, sagt Enzo Weber vom IAB.
Theoretisch kann eine KI mehr, weniger oder gleich viel diskriminieren, wie ein Mensch, betont auch Annika von Mutius. Positiv ist: Ein Algorithmus hat keine Vorurteile. Aber: KI-Systeme werden mit Daten aus der Vergangenheit trainiert und setzen dabei Merkmale in Zusammenhänge. Hier kann es zum Beispiel zur Benachteiligung durch Alter oder Geschlecht kommen. Vereinfacht heißt das, dass Rückschlüsse einer KI, die zu einer Diskriminierung führen, keine Grundlage für Entscheidungen sein dürfen, dafür müssen die Architekten der KI sorgen. Hier bleibt also der Mensch hinter der Architektur ganz entscheidend. Ob das in allen KI-Lösungen immer der Fall ist, ist unwahrscheinlich.
Fest steht: Bewerber müssen sich nicht vor der KI in der Personalabteilung fürchten. Eine gute, klar gegliederte Bewerbung bisher ist auch für die KI eine gute Bewerbung. In den meisten Unternehmen ist der Einsatz von KI zudem mit der Vorauswahl beendet. Dann geht es im persönlichen Gespräch wieder klassisch darum, worum es immer schon ging: Passt es menschlich zwischen uns? Stimmt die Chemie? Wer bis dahin auf Nummer sicher gehen will, kann den Computer mit seinen eigenen Waffen schlagen: Denn KI arbeitet schließlich nicht nur für Unternehmen. Sie schreibt auch klaglos Bewerbungen. Garantiert KI-optimiert. Nur die Fakten, die muss wie immer der Mensch im Blick behalten. dpa