Das Bewerbungsschreiben hat ausgedient
Eine klare Meinung hat Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM). „Das Bewerbungsanschreiben hat ausgedient.“ Je traditoneller ein Unternehmen eingestellt sei, desto mehr werde daran festgehalten. In ihrem Verband verzichteten jedoch bereits die meisten darauf. Es fehle der Mehrwert für den Auswahlprozess.
Soll das Anschreiben tatsächlich eine Funktion erfüllen und etwa Informationen liefern, die über den Lebenslauf hinausgehen, sind selbst formulierte Sätze wesentlich.
Das Problem: „Viele Leute wissen nicht, worauf es im Anschreiben ankommt“, sagt der Bewerbungscoach und Buchautor Jürgen Hesse. Ein sehr gutes Anschreiben verlange viel Arbeit ab. Es sei sozusagen der Trailer zum eigentlichen Film und diene dazu, die Neugier zu wecken. Hesse empfiehlt einen relativ knapp gehaltenen und gut strukturierten Text, der auf eine Seite passt.
Ausschlaggebend ist auch die Art des Jobs
Eine Perspektive für das Anschreiben sieht er dennoch nur in bestimmten Bereichen und Ebenen. Für Jobs im Niedriglohnsektor spiele es keine Rolle mehr, genauso wenig für stark nachgefragte. Das bestätigt sich auch in der Praxis. „Wenn es um Jobs mit komplexen Tätigkeiten wie im Vertrieb, Marketing oder der IT geht, erwarten wir im Rahmen der Bewerbung das gesamte Paket“, also ein Anschreiben und Referenzen, sagt zum Beispiel Ralph Wiechers, der sich als Senior Vice President Corporate People Management & Platforms bei der Deutschen Post DHL Group um Personalthemen kümmert.
Diesen Überblick liefere zwar bereits der Lebenslauf. Das Anschreiben könne darüber hinaus die persönliche Motivation, Entwicklungsbereitschaft oder den Führungsstil aufzeigen.
Geht es dagegen um Zustelltätigkeiten, sei ein langes Motivationsschreiben nicht zwingend erforderlich. «Hier sind sogar Bewerbungen per WhatsApp möglich.» Da gehe es vor allem um die Kerndaten der Bewerberinnen und Bewerber und Informationen zu deren Eignung.
One-Click Bewerbung über Karrierenetzwerke
Auch die Deutsche Bahn verlangt von Auszubildenden und Studierenden kein Anschreiben mehr, sagt Fabian Wylenzek, Leiter der Personalgewinnung Region Nord bei der DB. Zugführer und -begleiter müssen dagegen nach wie vor eines hinzufügen. «Ich möchte sehen, ob jemand die Anforderung der Stelle verstanden hat - um welchen Job es geht.» Vorher müsse ihn aber der Lebenslauf überzeugt haben. Zentral ist also vor allem der CV. Bosch-Unternehmenssprecher Simon Schmitt zufolge, überprüfen Personaler damit zuerst, ob die Angaben der offenen Stelle entsprechen. Zugleich werden Bewerbungsprozesse zunehmend digitaler und über Online-Profile auch einfacher. „Sind Bewerber beispielsweise in sozialen Medien aktiv und pflegen ihr Profil regelmäßig, so können sie sich mittels der Verknüpfung eines Linkedin-Profils innerhalb weniger Minuten auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben“, so Schmitt. (dpa)
Darf Arbeitgeber Nachweis verlangen?
Für Beschäftigte in der Gesundheits- und Pflegebranche gilt ab Mitte März eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Dann müssen sie einen Nachweis erbringen, dass sie geimpft, genesen oder ärztlich von der Impfung gegen das Coronavirus befreit sind. Doch was gilt für Bewerberinnen und Bewerberinnen? Darf der Arbeitgeber künftig schon im Vorstellungsgespräch nach dem Nachweis fragen? Ja, und das ist im Gesetz sogar eindeutig geregelt. „Der Nachweis ist die Voraussetzung, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt beschäftigen zu dürfen“, sagt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg. Der Arbeitgeber habe also ein berechtigtes Interesse von Bewerbern diesen Nachweis zu fordern.
Gesetz und Betriebsinteresse
Grundsätzlich gilt: Im Einstellungsverfahren darf der Arbeitgeber Fragen stellen, die Themen betreffen, an deren Kenntnis er ein berechtigtes betriebliches Interesse hat. Dem gegenüber steht der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - beides müsse der Arbeitgeber gegeneinander abwägen. Weil es zu den Nachweisen im Bezug auf die Impfung zum Schutz vor Covid-19 eine gesetzliche Regelung gibt, ist die Frage nach dem Nachweis aber in jedem Fall gestattet.
Zur Person:
Jürgen Markowski ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg und Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). (dpa)