Der 12. Juni ist für Ford ein Feiertag mit einem schalen Beigeschmack. Denn wenn die Kölner an diesem Tag unter den Augen des Kanzlers und des amerikanischen Konzernchefs Bill Ford ganz offiziell ins Elektrozeitalter starten und in dem für zwei Milliarden Euro umgebauten Stammwerk Niehl das erste Akku-Auto vom Band läuft, mag das ein Aufbruch in die Zukunft sein. Aber der Anfang des elektrischen Explorers markiert zugleich das Ende für ein Auto, das zu Köln gehört wie Dom, Rhein und Karneval. Denn nach 47 Jahren und insgesamt über 20 Millionen produzierten D Exemplaren geht damit auch die Karriere des Fiesta zu Ende, räumt Deutschlandchef Christian Weingärtner mit Blick auf allein fast zehn Millionen Kölner Fiesta ein. Auch Konkurrenten wie Opel oder VW melden zwar schrumpfende Renditen in diesem Segment, und die Kosten für kommende Schadstoffnormen haben dicke Fragezeichen hinter ihre Kleinwagen gesetzt. „Denn Geld ist damit eigentlich nicht mehr zu verdienen“, sagt der Duisburger Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer. Doch während Ford sich also vom Fiesta verabschiedet, laufen Corsa und Polo erst einmal weiter; von ausländischen Mitbewerbern wie dem Renault Clio oder dem Toyota Yaris ganz zu schweigen. Aber streng genommen passt dieses Ende auch zum Anfang seiner Karriere, denn als Ford unter dem Codenamen „Bobcat“ seinen ersten Kleinwagen entwickelt hatte, war die Konkurrenz längst mit mehr als zwei Dutzend Modellen am Start gewesen. Die Premiere am 11. Mai 1976 war deshalb eher eine Pflichtveranstaltung - selbst wenn ihn der damalige Kölner Chef Bob Lutz, unter dessen Regie der Fiesta am Rhein entwickelt wurde, als wichtigste Neuheit seit dem legendären Modell T rühmte. Aber dem Erfolg des Fiesta tat das keinen Abbruch. Anfangs noch in Saarlouis und ab 1979 dann in Köln produziert, startete er eine spektakuläre Aufholjagd: Nach zweieinhalb Jahren schaffte er die Million, und nach 58 Monaten und 15 Tagen Produktion im Kölner Werk lief im März 1981 bereits der zweimillionste Fiesta vom Band, so Ford-Sprecher Hartwig Petersen: „Damit bricht er sämtliche bis dahin gültigen Produktionsrekorde europäischer Ford-Modelle.“ Und er sammelte noch mehr Auszeichnungen: Er wurde mehrfach Auto des Jahres und führte über Jahrzehnte die Kleinwagenstatistik in Europa an. Während Corsa und Polo weitgehend europäische Phänomene waren, wurde der Fiesta zum Weltauto, sagt Petersen. Auf vier Kontinenten gebaut und in über 50 Ländern verkauft - darunter auch in den USA, Russland, China oder Südafrika. Auch das ist ein Grund, weshalb der Fiesta in mittlerweile acht Generationen bis heute auf über 22 Millionen Einheiten kommt.
Ausfahrt mit der ersten Generation
Wie viel sich in fast 50 Jahren wirklich getan hat, merkt man bei einer Ausfahrt mit der ersten Generation. Die misst zwar nur 3,57 Meter. Aber weil die Bleche damals genau wie die Sitze viel dünner waren und das Armaturenbrett wirklich noch so schlank und schmal war, wie es der Begriff nahelegt, wirkt er mindestens so geräumig wie sein Ur-Enkel von heute. Und bevor man über die mageren 37 kW/50 PS des 1,1 Liter großen Vierzylinders lacht, der sich unter der Haube des Klassikers aus der Kölner-Werkssammlung fast verliert, sollte man den Fiesta erst einmal auf die Waage stellen: Bei gerade mal 730 Kilo braucht es kein Kraftpaket, um im Verkehr mitzuschwimmen. Nur der Griff zum Gangknüppel geht immer mal wieder ins Leere. Denn so sehr wir uns heute auch an ein gemütliches Drehzahlniveau gewöhnt haben, gibt es hier einfach nicht mehr als vier Schaltstufen und der Oldtimer orgelt immer ein bisschen hochtourig durch den Verkehr. Kaum auszumalen, wie er erst aufdrehen müsste, um tatsächlich in 17 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu beschleunigen oder 147 km/h Spitze zu erreichen. Mit Rücksicht auf das hohe Alter - und ja, auch mit Blick auf die rudimentäre Sicherheitsausstattung muss das heute vielleicht nicht mehr sein.
Der Kleinwagen wird noch mal zum Hingucker
Aber es ist nicht nur das Fahrerlebnis, das den ersten Fiesta vom letzten unterscheidet. Sondern auch die Reaktionen des Publikums. Denn während dem Neuen selbst im Werk niemand so wirklich Beachtung schenkt, zieht der erbsgrüne Klassiker alle Blicke auf sich. Egal ob vor der Halle, in der sie den Fiesta zuletzt gebaut haben, oder an der Hauptpforte, vor der Domplatte oder am Rheinufer überall drehen sich Passanten um, recken die Daumen und bekommen einen selig-sentimentalen Gesichtsausdruck. Mit der Vorstellung von Ford ohne Fiesta tut sich auch Frank Wilke schwer. Doch Hoffnung auf steigende Oldtimer-Preise möchte der Chef des Bochumer Marktbeobachters Classic Analytics den Besitzern auch trotz spontaner Beifallsbekundungen wie etwa in Köln nicht machen. Sondern für ihn zählt der kleine Kölner zu den vielen Autos, die zwar eine große Bedeutung für Marke und Markt hatten, dabei aber wenig Begeisterung auslösen konnten. „Sieht man einmal von den leidenschaftlicheren und natürlich auch selteneren Sportversionen wie dem XR2i oder später dem ST ab, ist es doch denkbar unwahrscheinlich, dass tatsächlich jemand einen alten Fiesta sucht“, urteilt der Fachmann. Einen Fiesta (1.0/40 PS) aus den Baujahren 1976 bis 1981 notiert er aktuell mit 4900 Euro (Zustand 2). Aber nur, weil mit dem Wechsel der Produktion die Fiesta Colonia zu Ende geht und ihm Ford auf Kölsch ein „Maach et joot!“ hinterherruft, wird der Kleine nicht gleich aus dem Stadtbild verschwinden. Zudem setzte der Künstler HA Schult dem Fiesta bereits 1989 ein Denkmal: Vergoldet und mit riesigen Flügeln schmückt er wie Dom und Rheinbrücken die Skyline. dpa-mag