Was sind doch über die Jahre für Vergleiche angestellt worden. Tamara Danz sei die Madonna des Ostens gewesen, oder auch die Tina Turner des Ostens - eine Nähe, in die sie nicht nur wegen ihres Äußeren gerückt worden ist. Mit ihrer Stimme gab sie mal die agile Soul-Lady, so in den Anfangsjahren der damals noch Familie Silly getauften Band, mal die energische Rockröhre. Und dann wieder zeigte sie sich einfühlsam und balladesk, mit gehauchter Stimme, wie eine nahe Freundin.
Aber ja, auch das markante macht Tamara Aussehen Danz bis heute zu einer Ikone: Die Haare hochtoupiert, das Make-up grell, dazu exaltierte Jeans- und Leder-Outfits im Rückblick steht Tamara Danz fraglos auch für die Mode-Exzesse der unbekümmerten 1980er-Jahre. Da unterschieden sich Ost und West einmal überhaupt gar nicht.
Ihr Image war wild, ihre Lieder aber handelten von den zarten Seiten und den Enttäuschungen der Wilden. Sie besang die Vögel mit den gestutzten Flügeln, die auf der falschen Seite der Mauer saßen und deren Lebensträume sich dort nicht verwirklichen ließen. So etwa in dem Lied „Verlorne Kinder“ vom Album„Februar“, veröffentlicht 1989, im Winter vor dem Mauerfall: „In die warmen Länder würden sie so gerne fliehn / Die verlornen Kinder in den Straßen von Berlin / Zu den alten Linden die nur in der Ferne blühn / Die sie nicht mehr finden in den Straßen von Berlin“. o waren Silly in ihren besten Momenten immer; auch später noch, nach dem Tod von Tamara Danz: Vorbehaltlos romantisch, ironie frei pathetisch - ihre Lieder handeln vom Festhalten an den großen Träumen, auch wenn die unter den gegebenen Umständen als wenig realistisch erscheinen.
Tamara Danz wurde 1952 in der thüringischen Provinz geboren. Da ihr Vater als Diplomat tätig war, wuchs sie zum Teil in Bulgarien und Rumänien auf. Später, in Ost-Berlin, kam sie in Kontakt mit der Singeklub-Bewegung. Im Oktoberklub hatte sie erste Auftritte und knüpfte Kontakte in die Rockmusikszene. Ein Studium zur Dolmetscherin gab sie auf, an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ wurde sie abgelehnt. Dann kam die Familie Silly eine Band, in der sie über die Jahre wuchs.
Und Tamara Danz bleibt bis heute in Erinnerung - eine energiegeladene Rockpoetin, die die Welt in deutlichen Worten beschrieb. Im Juli 1996 ist sie an den Folgen einer Brustkrebserkrankung gestorben.
Boris Kruse
Liebe Leserinnen und Leser
Die MOZ feiert in diesem Jahr ihren 35. Geburtstag. Wir nehmen dieses Jubiläum als Anlass, die Geschichte der Zeitung noch einmal Revue passieren zu lassen. Im dritten Teil dieser Serie, die monatlich in der Tageszeitung erscheint, blicken wir zurück auf die Jahre 1995 bis 1997. Viel Spaß beim Lesen!
Meilensteine der Jahre
1995
1. Januar: Durch den Beitritt von den Ländern Österreich, Finnland und Schweden wird die Europäische Union (EU) eine Gemeinschaft von 15 Staaten.
1996
5. Juli: Das Schaf Dolly, erstes geklontes Säugetier der Welt, wird geboren.
22. Juli: Silly-Rocksängerin Tamara Danz (Bataillon d'Amour) stirbt 43-Jährig.
1997
20. Januar: Bill Clinton für seine zweite Amtszeit als US-Präsident vereidigt.
29. Mai: Insgesamt acht behinderte Frauen verlieren bei einem Großbrand in der Frankfurter Wichern-Wohnstätte ihr Leben.