Die Stimmen waren noch etwas belegt von der großen Party, die Laune beim Dreigestirn von Union Berlin aber erwartbar prächtig. „Es ist nicht nur Stolz, sondern ich bin auch von großer Dankbarkeit erfüllt. Ich muss das mal so pathetisch sagen, weil es tatsächlich auch so ist“, sagte der Präsident der Köpenicker, Dirk Zingler, am Tag nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Dem Einzug in die Champions League. Dankbarkeit gegenüber der Mannschaft, dem Umfeld, den vielen Mitarbeitern - natürlich auch Geschäftsführer Profifußball Oliver Ruhnert und Trainer Urs Fischer.
Mit dem 1:0 gegen Werder Bremen am letzten Spieltag geht der märchenhaft anmutende Aufstieg der Köpenicker weiter. In vier Jahren Bundesliga-Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa League und nun also Königsklasse für den Stadtteil-Club aus dem Osten der Hauptstadt. Es wird sich wieder einiges entwickeln bei den Eisernen, es soll sich aber nicht zu viel verändern.
,,Wir verstehen diese Champions-League-Spiele als riesige Herausforderung, als Kompliment und auch als Eintrag in die Historie des Clubs. Die Kernaufgabe wird aber auch im kommenden Jahr Bundesliga heißen“, stellte Ruhnert klar. „So planen wir uns so gehen wir es an.“ Zingler ergänzte: „Natürlich werden wir wieder mit dem Ziel starten, zuallererst die Klasse zu halten.“
Demütig bleiben, sich selbst treu: Das sind die Schlüsselbegriffe des Führungstrios. Bei allen Veränderungen im Kader der letzten Jahre, Zingler, Fischer und Ruhnert sind die konstanten Eckpfeiler des Berliner Erfolgs. „Jeder will dem anderen helfen, aber keiner mischt sich beim anderen ein“, fasst der Präsident es zusammen. Auch wenn Zingler und er natürlich besonders nach Niederlagen die Aufstellung des Trainers miteinander sezierten, wie Ruhnert scherzte.
Die Konstanz in der Leistung und der Herangehensweise waren für Fischer der Schlüssel und sollen es auch bleiben: „Wir sind von diesem Weg nicht abgekommen und waren wirklich standhaft.“
Dazu gehört für den Präsidenten auch, nicht zu viel über die Bezirksgrenzen zu spähen. Auch wenn der Abstieg des Stadtrivalen Hertha BSC womöglich ein Vakuum im Berliner Fußball-Orbit schaffen könnte. „Ich glaube auch nicht, dass wir jetzt ein Club für ganz Berlin sein sollten. Das gibt es ja gar nicht. Unsere schöne Stadt ist so groß, so bunt, so vielfältig und unterschiedlich. Ein ganz Berliner Club will ich nicht sein“, sagte Zingler. „Wir haben unseren Weg in dieser Stadt gefunden und den gehen wir weiter. Was in anderen Stadtbezirken stattfindet, ist uns vollkommen schnuppe.“
Beschaulich und ruhig wird der Sommer trotz allem wohl kaum werden. Es gibt viel zu tun. Um das Stadion An der Alten Försterei gehen die umfassenden Infrastrukturmaßnahmen weiter. Und wo finden überhaupt die Champions-League-Spiele statt? „Wenn es irgendwie geht, spielen wir in der Alten Försterei“, sagte Zingler. Ob die UEFA-Regularien das erlauben, ist noch unklar. Ansonsten würden die Eisernen ins Olympiastadion umziehen. „Wir können alle froh und dankbar sein, dass es ein Fünf-Sterne-Stadion gibt, dass der Stadt gehört, wo man spielen kann.“ Unstrittig ist der finanzielle Zuwachs, den die Champions League bringt. In der abgelaufenen Spielzeit gab es alleine für den Start in der Gruppenphase 15,64 Millionen Euro. Dazu kommen weitere Erfolgsprämien, höhere TV-Gelder und die Einnahmen bei den Heimspielen - die im Olympiastadion deutlich größer sein dürften.
Das gibt neue Möglichkeiten auf dem Transfermarkt, auch wenn bei Union weiter maßvoll investiert werden soll. „Ich weiß nicht, ob unser Kader zum Trainingsauftakt so vollständig sein wird, wie wir uns das wünschen“, sagte der 51 Jahre alte Ruhnert. „Wir haben einen sehr aufwendigen Transfersommer vor uns.“ Auch prominente Wechselwünsche sind nach dem Einzug in die Königsklasse zwar weniger wahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
Zu viel, zu schnell? Zingler gibt sich entspannt. Natürlich könne der Club mit dem erneuten Wachstum umgehen, „weil wir das seit Jahren machen.“ Nun gibt es aber erst einmal Urlaub.
David Langenbein/dpa